Kapitel 24 - Ignoranter Sturkopf


 

 

Donnerstag, 30. April 2015

 

 

 

Als die ersten Strahlen der Morgensonne den Raum fluteten, rieb sich Rin verschlafen die Augen. Durch das grelle Licht, welches ihr direkt ins Gesicht schien, wurde sie aufgeweckt. Allerdings hatte die Blauhaarige absolut keine Lust aufzustehen und zog sich die Decke über den Kopf, während sie sich nochmal umdrehen wollte. Plötzlich stieß sie jedoch einen grellen Schrei aus, als sie in der Bettdecke eingerollt der Länge nach auf dem Boden aufschlug.

 

„Aua“, öffnete das Mädchen langsam die Lieder und sah sich irritiert um.

 

Normalerweise war auf dieser Bettseite doch noch genug Platz. Wieso also war sie aus dem Bett gefallen?

 

Verschlafen schaute sie sich im Raum um, als es plötzlich an der Tür klopfte. Herein kam eine rosahaarige junge Frau in einer Maid-Uniform: „Ist alles in Ordnung Rin-chan?“ „Shizuka?“, versuchte sich die Oberschülerin aufzurichten, „Was machst du hier? Wo bin ich überhaupt?“ „Du bist im Suzuki Anwesen. Hast du das vergessen?“, erklärte das Hausmädchen. „Ach so“, schien sich die Blauhaarige vage zu erinnern. „Der junge Herr lässt ausrichten, dass du dich nochmal bei ihm melden sollst, bevor du das Anwesen verlässt“, erklärte die Rosahaarige, welche kurz darauf wieder den Raum verließ.

 

Was war letzte Nacht bloß passiert? Sie konnte sich noch daran erinnern, dass sie es endlich geschafft hatte das Durcheinander in Kuros Büro aufzuräumen. Aber was war dann? Und warum schlief sie in einem der Gästezimmer? Das Mädchen konnte sich absolut nicht erklären wie sie ins Bett gelangt war, geschweige denn wann sie einen Pyjama angezogen hatte. Normalerweise schlief sie nie in so etwas, sondern in irgendwas, das gerade herumlag.

 

Nach längerem Grübeln beschloss sie schließlich, dass es nichts brachte und zog sich eilig wieder ihre eigene Kleidung an. Sie wollte schnell ins Büro zurück, um sicherzugehen, dass sie die Arbeit wirklich erledigt hatte. Könnte ja auch sein, dass sie das Ganze nur geträumt hatte. Immerhin waren ihre Erinnerungen an den vorherigen Abend ziemlich schwammig. Außerdem hoffte sie den Suzuki-Erben dort anzutreffen.

 

In besagtem Raum angekommen war von dem Schwarzhaarigen keine Spur zu sehen, was Rin ein wenig nervte. Er wollte doch, dass sie sich bei ihm meldete. Wo war er also?

 

Nichtsdestotrotz ärgerte sich die Blauhaarige nicht lange darüber, denn als sie sah wie ordentlich es war, konnte sie freudig aufatmen. Sie hatte es wahrhaftig endlich geschafft die Papierberge zu bewältigen und ihren Job erledigt. Wenn auch einen Tag zu spät. Aber sie hatte es geschafft und nur das zählte in diesem Moment für sie.

 

„Na ja, wenn Kuro nicht hier ist, dann muss er eben noch ein bisschen warten“, verließ sie das Büro wieder, „Ich habe jetzt erstmal Hunger.“

 

Mit diesen Worten schlenderte sie in die große Küche, in der Hoffnung etwas zu Essen abzustauben. Dort stand ein älterer Herr vor dem Herd und schwenkte etwas in der Pfanne. Er war recht breit und groß gebaut und hatte kurzes schwarzes Haar, welches noch ein wenig unter seiner Kochmütze herausschaute. Auch einen kurzen Bart hatte er sich stehenlassen. Passend zu seiner Mütze trug er eine schwarz-gelbe Kochjacke und eine schwarze Hose. Wie auch beim Rest des Personals hatte er ebenfalls den Suzuki-Pin angesteckt.

 

„Hallo Takeo“, begrüßte Rin den Älteren. Dieser drehte sich überrascht herum: „Rin? Was machst du denn so früh am Morgen hier?“ „Das ist eine gute Frage“, kratze sich das Mädchen verlegen am Hinterkopf, „Aber ich habe Hunger. Kannst du mir irgendetwas machen?“ „Natürlich. Es dauert aber einen kleinen Moment. Zuerst muss ich das Frühstück des jungen Herren fertig anrichten“, lächelte der Schwarzhaarige herzlich.

 

Verstehend nickte die Oberschülerin und gesellte sich dennoch zu Takeo, um ein wenig zu plaudern. In den letzten Tagen konnte sich das Mädchen mit so manchen vom Personal anfreunden. Eigentlich dachte sie, dass alle Angestellten abgehoben und stinklangweilig sein würden. Aber sie irrte sich, denn sie waren alle sehr nett und herzlich.

 

Plötzlich ging die Küchentür auf und ein jüngerer Bursche stürmte herein. Er hatte dunkelblondes kurzes Haar, welches schon fast hellbraun wirkte und eine ziemlich auffällig breite neongrüne Strähne. Seine rotbraunen Augen bildeten dazu einen ziemlich bunten Kontrast. Unterm Arm trug er ein Longboard mit sich rum, während er auf dem Rücken einen Rucksack geschultert hatte. Zu seinem bisherigen rowdyhaften Erscheinungsbild trug er eine passende schwarze Lederjacke und eine dreiviertel Jeans sowie bequeme Sneakers.

 

„Kuma-sensei! Ich hab verschlafen!“, außer Atem stoppte er und stützte sich an einer der Arbeitsflächen ab. „Habe ich gemerkt“, lachte der Pummelige. Rin hingegen schien etwas verwirrt: „Kuma-sensei? Kuma wie der Bär?“ „Ja klar. Er sieht doch aus wie ein lieber Brummbär“, grinste der Jüngere frech.

 

Unrecht hatte er definitiv nicht, jedoch interessierte sie viel mehr wer der Junge vor ihr war und was er hier zu suchen hatte. Rin war sich ziemlich sicher, dass er jünger sein musste als sie. Vermutlich ein Mittelschüler, welcher rein rechtlich eigentlich noch gar nicht arbeiten dürfte. Oder war er vielleicht Takeos Sohn?

 

„Wer bist du eigentlich?“, fragte die Blauhaarige neugierig. Während angesprochener seine Sachen ablegte und die Lederjacke mit einer übergroßen Kochjacke austauschte beantwortete er knapp die Frage: „Nenn mich einfach Haru. Ich bin Kuma-senseis Lehrling. Und wer bist du?“ „Mich kannst du dann einfach Rin nennen. Ich bin hier als persönliche Assistentin eingestellt“, stellte sich auch die Oberschülerin vor, „Aber bist du nicht zu jung für einen Lehrling?“ Nun mischte sich auch der Schwarzhaarige ins Gespräch ein: „Haru ist ja auch kein Lehrling. Eher so eine Art freiwillige Hilfskraft, die sich sehr fürs Kochen interessiert.“

 

Verstehend nickte Rin. Sie fand es erstaunlich, dass er freiwillig arbeitete, um Neues zu lernen. Dabei hatten doch gerade Jugendliche eher Spaß an Beschäftigungen wie Sport, Freizeitparks, Shopping, Kino und so weiter. Der Blauhaarigen würde es jedenfalls nicht im Traum einfallen freiwillig in der Küche zu arbeiten.

 

Noch eine Weile blieb das Mädchen dort und schaute gebannt zu. Auch ihr versprochenes Frühstück nahm sie im Stehen zu sich, weil sie mit den beiden so sehr ins Gespräch vertieft war.

 

Gerade als sie mit dem Essen fertig war und ihren Teller in die Spüle stellte, konnte Rin einen kleinen blauen Schmetterling um den Dunkelblonden schwirren sehen. Auch die bekannten Worte drangen wieder an ihr Ohr: „I am Thou. Thou art I.“ Wie es aussah hatte die Blauhaarige einen neuen Social Link geknüpft.

 

Neugierig wie sie war, suchte sie direkt einen ruhigen Ort auf, um nachsehen zu können um welchen es sich handelte.

 

„Ich habe wirklich schon ganz schön viele von diesen Social Links geknüpft“, murmelte sie und suchte den Neusten, „Ah, da ist er ja. XIII. Death?“

 

Kurz schluckte das Mädchen, denn sie wusste nicht so recht was sie von einem Link halten sollte, der nach dem Tod betitelt war. Sollte das etwa heißen, dass der Junge an der Schwelle des Todes stand? War er etwa in Gefahr oder unheilbar krank?

 

Rin wusste nicht was sie denken sollte und geriet ein wenig in Panik. Am liebsten wäre sie zurück zur Küche gegangen und hätte Haru ausgefragt. Aber sie wusste, dass das ziemlich eigenartig herüberkäme, wenn sie etwas dergleichen täte. Also musste sie subtiler an die Sache rangehen. Nur wie?

 

Während sie gedankenversunken darüber nachdachte was am besten zu tun war, lief sie wie ferngesteuert in der großen Eingangshalle auf und nieder. Erst ein unangenehmes Fingerschnippen gegen ihre Stirn riss sie augenblicklich ins Hier und Jetzt zurück.

 

„Au!“, schrie Rin auf und hielt sich die schmerzende Stelle, während sie den Übeltäter suchte. Natürlich war es kein geringerer als Kuro, der sie so liebevoll wie immer behandelte: „Was treibst du hier, du Nervensäge? Und wo warst du? Shizuka hat mir gesagt, dass du schon seit Ewigkeiten wach bist und Bescheid wüsstest, dass du zu mir kommen sollst!“ „Kannst du mal aufhören mir ständig zu sagen was ich zu tun und zu lassen habe?! Und dieses verdammte Fingerschnippen gegen meine Stirn tut echt weh!“, war die Blauhaarige wieder auf hundertachtzig, „Außerdem habe ich dich gesucht, aber du warst unauffindbar in dieser riesigen Villa!“ „Du arbeitest für mich, schon vergessen? Ich kann dir so viele Befehle erteilen wie ich will“, meckerte der Suzuki-Erbe. Sein Gegenüber hingegen war immer noch nicht einsichtig: „Ich nehme aber keine Befehle entgegen, denn ich bin eine Assistentin und kein Lakai!“ „Na von mir aus“, schnaubte der Ältere sichtlich genervt und zog das Mädchen hinter sich her, „Komm einfach mit und nerv mich nicht.“ „Siehst du? Du machst es schon wieder!“, erntete er erneut das Gemecker seiner Hilfskraft.

 

Statt eines weiteren Wortes, schnaufte Kuro abermals schwer und schwieg. Er wusste, dass er bei der Jüngeren gegen eine Wand redete und hatte keine Lust noch mehr unnötige Kraft in sinnlose Dinge zu verschwenden. Obwohl er definitiv nicht ganz unschuldig an ihrem Gemeckere war.

 

„Was willst du denn nun schon wieder von mir? Ich habe das Büro komplett aufgeräumt und werde in der Golden Week sicherlich nicht auch noch schuften!“, ließ das Mädchen den Schwarzhaarigen nicht mal zu Wort kommen, als sie in besagtem Raum ankamen. „Kannst du denn nicht einmal aufhören so nervig zu sein?“, seufzte der junge Mann schon wieder schwer.

 

Natürlich stieß das erneut auf weitere Widerworte, welche er aber gepflegt ignorierte. Stattdessen zog er eine seiner Schreibtischschubladen auf und entnahm einen Umschlag.

 

„Keine Sorge, deine Golden Week kannst du haben. Dafür brauche ich dich aber am Tag danach von morgens bis abends“, erklärte der Oberschüler ruhig. Doch noch bevor er weitererzählen konnte, wurde er schon wieder unterbrochen: „Wie soll das gehen? Das ist ein Schultag.“ „Wie wäre es, wenn du mich einfach mal zu ende erklären lässt, du Nervensäge?“, war er es langsam wirklich leid. Tatsächlich war sie daraufhin für einen Moment still, denn sie wollte mehr Details dazu wissen.

 

„An diesem Donnerstag bist du und auch Momiji von der Schule freigestellt. Das habe ich bereits arrangiert. Hier im Anwesen wird am Abend eine große Feier stattfinden und wir müssen bereits Tage vorher mit den Vorbereitungen beginnen. Am Tag selbst wird es am stressigsten sein, da brauchen wir wirklich jede Hilfe“, gab er die wichtigsten Infos weiter.

 

Verstehend nickte das Mädchen und schwieg. Sie hatte keine Probleme damit der Schule fernbleiben zu dürfen. Obwohl sie sich nicht sicher war, ob es nicht vielleicht doch eine dumme Idee war, denn in der Woche darauf waren bereits Prüfungen und sie musste wirklich jede freie Minute zum Lernen nutzen. Ob sie es tatsächlich auch tat war die andere Frage.

 

„Der Umschlag hier ist für dich. Das ist dein restlicher Lohn von diesem Monat“, wurde Rin von dem Schwarzhaarigen aus ihren Gedanken gerissen.

 

Dankend nahm sie das Geld entgegen und freute sich darüber. Noch nie zuvor hatte sie gearbeitet und dafür etwas bekommen. Nun konnte sie sich zukünftig auch mal etwas größere Anschaffungen leisten oder etwas bei Seite legen.

 

„Zugegeben hast du bisher wirklich gute Arbeit geleistet. Du bist zwar echt lahm und gehst mit deiner Sturheit oft unnötige Umwege, aber am Ende hast du irgendwie alles erledigt. Ich hoffe du arbeitest auch weiterhin so gewissenhaft“, bedankte sich der Ältere mit ernster Miene bei der Oberschülerin.

 

Diese hingegen starrte den Suzuki-Erben mit offener Kinnlade wie versteinert an. War er gerade zwischen seinen ganzen Beleidigungen nett gewesen und hat sich bedankt? Das konnte eigentlich gar nicht sein, oder?

 

Sprachlos wurde Kuro noch immer von ihrem Blick durchlöchert. Sie wollte etwas sagen, wusste aber nicht was. Diese Situation war völlig befremdlich für das Mädchen und jagte ihr einen eisigen Schauer den Rücken hinunter. Der Schwarzhaarige war von ihrer Reaktion hingegen mehr als verwirrt und schaute Rin eigenartig an, ehe er erneut ansetzte: „Übrigens ist diese Handygeschichte noch immer nicht geklärt. Ich habe dir einen Vorschuss auf deinen Lohn gegeben, damit du dir ein vernünftiges Telefon kaufst. Stattdessen trabst du hier schon wieder mit einem alten Klapphandy an. Was war so schwer daran ein einfaches Smartphone zu kaufen? Das Geld hätte gereicht!“ „Du hast mir nicht vorzuschreiben was ich mit meinem Geld kaufe und was nicht!“, löste sich die Starre der Stipendiatin plötzlich, „Ich habe dir klipp und klar gesagt, dass du ein Arbeitshandy organisieren sollst, wenn es dir nicht passt!“

 

Pampig verschränkte sie die Arme und schaute in eine andere Richtung, woraufhin der junge Mann schon wieder schwer schnaubte. Er hatte es wirklich nicht leicht mit ihr. Andererseits war er an einigen ihrer Reaktionen auch selbst schuld.

 

Erneut zog Kuro daraufhin seine Schreibtischschublade auf und holte eine kleine Schachtel heraus, welche er der Blauhaarigen in die Hand drückte. Diese schaute sie nur verdattert an und verstand nicht recht was soeben passierte: „Hä? Das ist doch das neuste Smartphone von dieser super teuren Marke.“ „Obwohl du so hinter dem Mond lebst weißt du das? Respekt“, pfiff der Suzuki-Erbe einmal provokativ, „Das kannst du haben. Als Arbeitstelefon versteht sich natürlich, was heißt, dass du auf diesem Gerät immer erreichbar sein musst. Natürlich kannst du es auch für private Zwecke nutzen, das ist mir ziemlich egal, denn du musst dir ja auch einen eigenen Vertrag kaufen. Sollte das Gerät aber kaputt- oder verlorengehen musst du dafür aufkommen. Und sobald unser Arbeitsverhältnis endet, musst du es wieder abgeben.“

 

Mit kritischem Blick musterte Rin abwechselnd das Telefon und den jungen Mann, welcher ihr soeben die Pflichten dieses Gerätes aufzählte. Schließlich hielt sie ihm die originalverpackte Schachtel wieder hin: „Nein danke.“ „Was ist verkehrt mit dir? Das ist ein top Smartphone mit den neusten Funktionen. So etwas könntest du dir derzeit nicht mal im Traum leisten“, kapierte er ihre Reaktion nicht. „Du bist echt ein Idiot!“, schrie die Blauhaarige ihn genervt an, „Denkst du ich bin käuflich oder was? Hast du dir mal selbst zugehört, was ich alles über mich ergehen lassen muss, wenn du mir dieses Ding überlässt? Da habe ich lieber keins!“

 

Wutentbrannt stürmte Rin mal wieder aus der Tür. Er trieb es erneut auf die Spitze und schien noch nicht mal zu bemerken was genau das eigentliche Problem war. Zwar war dem Mädchen klar, dass es Kuro keineswegs wehtat mal eben ein Telefon zu kaufen, jedoch verletzte es ihren eigenen Stolz. Natürlich hätte sie das kleine Gerät liebend gerne gehabt, aber nicht von ihm und nicht mit all diesen Verpflichtungen. Eher würde sie sich erschießen, als ein Geschenk von diesem reichen Schnösel anzunehmen. Obwohl ein anderes Handy in der Tat keine dumme Idee wäre, denn das Klapptelefon, welches ihr Momiji gab, war nicht mehr richtig funktionstüchtig. Scheinbar hatte der Akku einen Wackelkontakt, weswegen ständig alles abstürzte. Und eine von den Tasten klemmte auch hin und wieder.

 

 

 

 

 

Samstag, 02. Mai 2015

 

 

 

Wieder einmal war Rin rennend unterwegs, um zur Stadtbibliothek zu gelangen. Dank ihres kaputten Akkus, war ihr Handy über Nacht abgestürzt und der gestellte Wecker ging nicht an. Heute war sie mit ihrer besten Freundin, Amika, zum Lernen verabredet. Außerdem würde auch Akira mit von der Partie sein, was der Blauhaarigen eigentlich gar nicht behagte. Allerdings hatte die Brünette darauf bestanden ihn einzuladen. Vermutlich plante sie eine Art Date, was der Stipendiatin jedoch ein ziemlich mulmiges Gefühl bereitete. Wenn sie ehrlich war, wäre sie lieber zu Hause geblieben, um dieser unangenehmen Situation zu entgehen. Aber sie brauchte nun mal Hilfe beim Lernen und war froh jemanden zu haben der ihr helfen würde. Auch wenn die Mädchen auf unterschiedlichen Schulen waren, so war der Unterrichtsstoff ähnlich.

 

Schwer atmend lief die Blauhaarige schlussendlich in der Bibliothek ein und suchte ihre Freunde, welche schon mit den Köpfen über den Büchern hingen.

 

„Hallo. Tut mir leid, dass ich so spät bin“, schnaufte Zuspätkommende immer noch schwer. „Hey, Rinacchi“, lächelte Amika selbstzufrieden, „Macht doch nichts.“ „Hi. Ich dachte schon, dass du nicht mehr kommst“, grinste der Rotschopf schief.

 

Wüsste es Rin nicht besser, so würde sie behaupten, dass ihre beste Freundin schon versucht hatte sich an den jungen Mann heranzuschmeißen. Akira war nun vermutlich froh, dass er nicht mehr mit ihr alleine war.

 

Seufzend ließ sich Neuhinzugekommene schließlich auf einen der freien Stühle gegenüber der beiden nieder und packte ihre Utensilien aus. Kaum hatte sie sich in ihren Lernstoff eingefunden, musste sie zuschauen, wie die Brünette hin und wieder versuchte sich an den Rothaarigen ranzumachen. Zwar sehr subtil und vorsichtig, jedoch bemerkte Rin es sofort. Immerhin kannte sie ihre Freundin und auch ihre Gefühle. Allerdings bekam sie somit auch viel größere Schuldgefühle, weil sie Amika nie davon erzählte, dass ihr Akira ein Geständnis gemacht hatte. Auch, wenn sich das Mädchen noch immer nicht sicher war, ob er sie nur wieder veralbern wollte oder es dieses Mal erst meinte. Was sollte sie bloß machen, um aus dieser verfahren Situation wieder heil herauszukommen?

 

Erneut stieß sie einen tiefen Seufzer aus, sodass diesmal auch ihre Lernpartner besorgt zu ihr aufschauten.

 

„Ist alles okay, Aikawa-chan?“, war der junge Mann besorgt. „Fällt es dir so schwer den Stoff zu verstehen?“, versuchte auch die Brünette auf sie einzugehen, „Es ist irgendwie blöd, dass wir nicht mehr auf der gleichen Schule sind. Da ist das gemeinsame Lernen schwieriger. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Stoff der Suzuki Akademie um einiges schwerer ist.“

 

Entmutigt seufzte die Blauhaarige erneut. Nicht nur, dass ihr die aktuelle Situation Schwierigkeiten bereitete, nein. Auch der Schulstoff wollte einfach nicht in ihren Kopf. Aber sie musste sich anstrengen, um ihr Stipendium behalten zu können.

 

„Die Schule ist wirklich nicht leicht und teilweise weiß ich gar nicht was ich da eigentlich tue. Keine Ahnung wie ich die Prüfungen bestehen soll“, sackte Rins Kopf auf die Tischplatte.

 

Nach gutem Zureden der anderen beiden konnte das Mädchen aber schließlich wieder ein klein wenig Mut fassen und erhob sich: „Ich gehe mal eben zur Toilette, dann hänge ich mich wieder rein.“

 

 

 

Auf der Toilette klatschte sich die Blauhaarige eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Zwar überlegte sie kurz, ob sie jetzt wirklich auch noch mit einer Wassermenge in Berührung kommen wollte, entschied sich aber dafür. Danach würde es ihr sicherlich bessergehen.

 

So war es auch und sie kam frisch motiviert aus der Tür in den kleinen Flur.

 

„Geht es dir besser?“, vernahm sie eine ihr bekannte Stimme. Kurz zuckte Rin zusammen, da sie nicht erwartet hatte angesprochen zu werden: „Y-Yoshida-kun? J-Ja mir geht’s schon besser.“ „Hör mal“, setzte dieser an, „Ich weiß, dass es ein blöder Zeitpunkt ist, aber hast du schon über deine Antwort nachgedacht?“ „A-Antwort?“, stotterte die Blauhaarige und lief augenblicklich knallrot an.

 

Meinte er die Antwort auf sein Geständnis oder auf die Übungsaufgabe? Panik machte sich in dem Mädchen breit und sie hoffte inständig, dass er die Aufgabe meinte. Allerdings war dies recht unwahrscheinlich, denn das hätte auch noch warten können, bis sie wieder zurückgewesen wäre.

 

„Ja, ich habe dir zwar Zeit gegeben, aber ich wüsste langsam wirklich gerne wie du fühlst. Es macht mich fertig, dass…“, wurde der junge Mann plötzlich unterbrochen. „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube ich habe die Antwort. Zur Sicherheit muss ich die Aufgabe aber nochmal nachrechnen“, lenkte Rin vom eigentlichen Thema ab und eilte zu ihrer Freundin zurück.

 

Dort angekommen packte sie fast schon panisch ihre Sachen zusammen: „Ich muss gehen, Ami.“ „Warum denn das?“, blickte Angesprochene verwirrt drein, „Du warst gerade mal zwei Stunden hier.“ „Ich habe vergessen, dass ich noch arbeiten muss“, log sich das Mädchen etwas zurecht. „Ich habe damit jetzt zwar kein Problem, weil ich dann mit Akira mehr Zeit zu zweit habe, aber das kommt echt plötzlich. Kommst du denn überhaupt noch zum Lernen, wenn dich der Idiot so mit Arbeit überhäuft?“, machte sich Amika Sorgen. Ihr Gegenüber hingegen winkte nur ab: „Ach was mach dir darum mal keine Gedanken, ich werde schon nicht durchfallen.“

 

Kaum hatte die Stipendiatin diese Worte ausgesprochen, verabschiedete sie sich knapp und war auch schon verschwunden.

 

Akira kam soeben von der Toilette wieder und konnte gerade noch sehen, wie die Blauhaarige durch den Haupteingang eilte: „Ist sie gegangen?“ „Ja, sie sagte sie hätte vergessen, dass sie arbeiten müsse“, war auch die Brünette noch immer etwas irritiert darüber.

 

 

 

 

 

„Oh man! Warum bin ich abgehauen?“, brütete Rin in ihrem Wohnheimzimmer allein über ihren Aufgaben. „Da bist du selbst dran schuld“, kam es trocken aus Skye, welcher quer über dem Bett fläzte und an seiner Konsole hing. „Du bist doch immer so altklug“, jammerte das Mädchen, „Kannst du mir nicht beim Lernen helfen?“ „Sehe ich so aus als könnte ich deinen Oberschulstoff? Ihr habt mich in die Grundschule verfrachtet, schon vergessen? Wärst du nicht so ein Sturkopf und würdest vor deinen Problemen davonlaufen, wärst du nun nicht in dieser Situation“, murrte der Jüngere. „Bist du jetzt nur nachtragend oder kannst du mir wirklich nicht helfen?“, blies die Stipendiatin beleidigt die Wangen auf.

 

Allerdings erntete sie darauf nur ein Augenrollen und wurde ignoriert.

 

Irgendwie hatte der Kleine ja recht und sie war zu einem gewissen Grad selbst an ihrer Situation schuld, aber das half nun auch nichts, denn sie brauchte Hilfe. Alleine kam sie mit den schweren Aufgaben nicht zurecht. Teilweise wusste sie nicht mal wo sie ansetzen sollte und wenn sie ganz viel Pech hatte, würde sie sogar bei den nächsten Prüfungen durchfallen. Das war ihr durchaus bitter bewusst, weswegen sie mittlerweile schon in leichte Panik verfiel.

 

Nach einigem Hin- und Herüberlegen kam ihr schließlich eine Idee und sie klopfte an der Nachbartür. Die Oberschülerin hatte die Hoffnung, dass ihre Klassenkameradin Ruri in ihrem Zimmer war und eventuell ein wenig Zeit entbehren könnte, um ihr das ein oder andere zu erklären. Immerhin wusste Rin, dass diese ziemlich gut in der Schule war.

 

Nach einem kurzen Klopfen rührte sich tatsächlich etwas im Zimmer der Eisblauhaarigen und ein zerstörerisches Scheppern drang an das Ohr der im Flur Stehenden. Kurz darauf ging auch schon die Tür auf und Ruri stand darin.

 

„I-ist alles okay?“, fragte die Stipendiatin vorsichtig. „Ach du bist es?“, kam es überrascht zurück, „Ja, alles in Ordnung. Ich bin nur über ein Kabel gestolpert und hab was heruntergeschmissen.“ „Klang ja nicht so gesund“, kratzte sich das Mädchen verlegen am Hinterkopf. „Halb so wild“, winkte die Schulsprecherin ab, „Aber was führt dich her?“ „Also… Ich weiß, dass du viel beschäftigt bist und vermutlich keine Zeit hast, aber könntest du mir eventuell ein wenig beim Lernen unter die Arme greifen?“, fragte Rin vorsichtig. „Ja klar“, lächelte die Eisblauhaarige, „Ich habe gerade Zeit. Bin sogar selbst am Lernen, da trifft sich das ganz gut.“ „Ehrlich? Dann hole ich schnell meine Sache und komme rüber“, war die Blauhaarige hellauf begeistert.

 

Eigentlich hatte sie fest mit einer Ablehnung gerechnet, weil sie wusste, dass Ruri in ihrer Rolle als Schülersprecherin vielbeschäftigt war.

 

„Ähm“, lächelte Ruri schief, „Können wir vielleicht zu dir rüber? Ich glaub ich müsste bei mir erstmal Scherben aufputzen.“ „Ich kann dir auch gerne helfen, wenn du willst? Irgendwie habe ich ja auch eine gewisse Mitschuld“, bot die Blauhaarige an. Ihr Gegenüber lehnte jedoch dankend ab: „Lass mal. Ich mache das einfach später. Das nimmt jetzt nur unnötig Zeit in Anspruch, die wir stattdessen fürs Lernen nutzen können.“

 

Recht hatte sie und so verbrachten sie den restlichen Tag damit in Rins Zimmer über den Büchern zu hängen.

 

 

 


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