Kapitel 12 - Vom Blitz getroffen


Mittwoch, 15. April 2015

 

Erschöpft von ihrem langen Tag, schleppte sich Rin in ihr Zimmer im Wohnheim. Unterm Arm hatte sie heute zusätzlich eine mittelgroße Pinnwand, welche sie zusammen mit ihrer Schul- und Sporttasche abstellte und sich streckte.

„Wozu die Pinnwand?“, kam es von Skye, der sich in die Sitzecke gefläzt hatte und wie immer an seiner Konsole hing. „Sag mal, hast du nichts Besseres zu tun als dauerhaft zu zocken?“, ging die Blauhaarige gar nicht auf seine Frage ein, „Du bist den ganzen Tag hier in der Bude und gammelst vor dich hin.“ „Was soll ich denn sonst tun? Ihr geht ja zurzeit nicht mehr auf die andere Seite“, zuckte er mit den Achseln und richtete seinen Blick wieder auf sein Spiel. „Wie wäre es, wenn du auch in die Schule gehst?“, stemmte die Oberschülerin fordernd ihre Hände in die Hüfte. „Unmöglich“, kam es knapp zurück. Verständnislos bekam der kleine Mann daraufhin eine Retourkutsche: „Warum sollte das unmöglich sein? Wir werden dich die Tage in der Grundschule anmelden!“ „Grundschule?“, sah der Schwarz-Blauhaarige fassungslos von seinem Gerät auf, „Was soll ich bitte in der Grundschule? Außerdem kann ich mich unmöglich irgendwo anmelden. Braucht man dazu nicht einen Erziehungsberechtigten und einen Haufen Papierkram? Ich habe nichts davon.“ Grübelnd kratzte sich das Mädchen daraufhin am Hinterkopf: „Auch wieder wahr. Du sagtest ja bereits, dass du keinen hast der für dich sorgt. Dann müssen wir uns was anderes einfallen lassen.“

Damit war das Gespräch beendet und die Schülerin verschwand im Bad, um ihre Kleidung zu wechseln. Im schlabbrigen T-Shirt und kurzer bequemer Hose kam sie kurze Zeit später frisch geduscht wieder heraus.

Eifrig kramte sie in einer ihrer Taschen und holte einen großen Umschlag heraus, mit welchem sie sich auf den Boden vor die Pinnwand setzte. Ein neugieriger Blick Skyes streifte sie, jedoch konnte er von seiner Ecke heraus nicht erkennen was genau sie da tat.

Nach einer Weile schien die Blauhaarige endlich fertig mit ihrem Werk zu sein und platzierte das gute Stück auf der Kommode. Freudig grinste sie ihre Arbeit an, als plötzlich der kleine Junge neben sie trat.

„Neugierig du kleiner Stalker?“, durchwuschelte sie ihm die Haare. „Schon“, kam mal wieder eine knappe Antwort.

Erwartungsvoll betrachtete der Portalwächter das Brett, welches nun einige Fotos zierten. Auch ihren Stundenplan hatte Rin sicherheitshalber mal angepinnt.

„Wer sind denn all die Leute auf den Fotos?“, schien er ziemlich wissbegierig zu sein. „Das da oben sind mein Bruder Saito und ich“, deutet sie auf ein Foto mit ihr und dem Blonden, „Es entstand letztes Jahr kurz bevor ich ins Ausland bin.“

Erstaunt trat der Schwarz-Blauhaarige daraufhin näher heran und deutete schließlich auf das Bild daneben: „Und das da? Ist das deine Freundin Ami?“ „Ja genau. Das war am Tag von unserem Mittelschulabschluss. Sie hatte total geheult, weil wir abgegangen sind und ich kurz drauf nach Amerika ging.“

Belustigt kicherte die Oberschülerin bei dem Gedanken, wurde aber sofort wieder ernst: „Wir werden sie retten. Morgen Abend gehen wir erneut auf die andere Seite.“ „Man merkt wirklich, dass sie eine gute Freundin ist. Du hast einige Fotos mit ihr“, bemerkte der Kleine. „Na klar“, lächelte die Schülerin leicht gequält.

Erneut wollte er wissen, welche Person er dieses Mal ins Auge gefasst hatte: „Und wer ist diese blonde Schönheit?“

Er zeigte auf ein scheinbar älteres Foto auf welchem eine junge Frau freudig in die Kamera lächelte.

„Das war meine Mutter“, erklärte das Mädchen leicht betrübt, „Sie ging von uns als ich noch ganz klein war.“ „Sorry“, erntete sie einen mitleidigen Blick. „Ach was. Ich mache mir da nichts mehr draus. Das ist schon ewig her. Nur manchmal frage ich mich, wie sich das anfühlt, wenn man eine Mutter hat, die einen umsorgt. Aber andererseits bin ich auch ziemlich froh, weil mich keiner ausschimpfen kann, wenn ich Mist gebaut habe“, lachte die Blauhaarige.

Schneller als gedacht hakte der Kurze das Thema ab und löcherte erneut: „Und das da? Bist du das als kleines Kind? Wer ist das rosahaarige Mädchen neben dir?“ „Das ist ein Junge“, lachte Befragte belustigt, „Er wird schon seit jeher für ein Mädchen gehalten. Ich glaub das hat sich bis heute nicht geändert.“ „Was färbt der sich auch die Haare rosa?“, schien Skye nichts daran witzig zu finden. „Das ist ja das lustige“, hielt sich die Oberschülerin den Bauch vor Lachen, „Das ist seine Naturhaarfarbe.“ „Der ist wohl gestraft fürs Leben“, grinste der Junge schief, „Aber wer ist das nun?“ „Das ist mein ehemaliger Nachbar und Sandkastenfreund Shû. Wir haben damals immer irgendwelchen Mist fabriziert und kamen jeden Tag total verdreckt nach Hause“, schwelgte sie in alten Erinnerungen, „Aber leider habe ich ihn schon lange nicht mehr gesehen, da er umgezogen ist.“ „Klingt schön“, kam es wieder ziemlich knapp und emotionslos aus dem kleinen Mann heraus, ehe er von der Pinnwand abließ, „Ich bin müde. Lass uns schlafen. Und irgendwann laden wir Pinky dann mal ein.“ „O-okay? Manchmal kann ich deinen Gedankengängen nicht ganz folgen“, krabbelte auch die Schülerin ins Bett.

 

 

Donnerstag, 16. April 2015

 

Außer Atem kam Rin kurz nach Mitternacht am verabredeten Ort, dem alten Schuppen auf dem Oberschulcampus, an. Akira und Kuro erwarteten die Schülerin bereits.

„Wurde ja auch mal Zeit, dass du hier eintrudelst“, verschränkte der Schwarzhaarige mürrisch die Arme. Sein Kumpel hingegen war weniger schlecht gelaunt und eher in Sorge: „Ist alles in Ordnung?“ „Tut mir leid“, schnaufte das Mädchen noch immer ein wenig schwerfällig, „Ich bin kurz eingenickt und habe verschlafen.“ „Ach, ist doch halb so wild“, winkte der Rothaarige ab, „Du bist außerdem nicht die Letzte. Skye fehlt ja auch noch.“

Mit einem schiefen Grinsen legte sie ihre Haare nach vorne über die Schulter, um den Blick auf ihren Rücken freizugeben. Dort erblickten ihre beiden Gefährten in der Kapuze ihrer ärmellosen Jacke einen kleinen Vogel friedlich schlafen.

„Wieso hast du da einen Vogel drin? Lebt der noch?“, zog Akira sichtlich irritiert eine Augenbraue hoch. Auch der Genervte kam nun neugierig ein wenig näher, um das blau-schwarze Wesen genauer zu betrachten: „Ist das wirklich Skye? Als ich ihn damals in dieser Form sah dachte ich, dass ich mich verguckt habe.“ „Wie kann das denn sein?!“, verlor der Rothaarige völlig die Fassung, „Der Kleine ist doch ein Mensch und kein Tier!“

„Kalt…“, ertönte plötzlich ein leises Murmeln aus der Kapuze und das Tierchen öffnete schwerfällig die Augen.

Es schien beinahe so, als hätten die langen Haare der Schülerin Wärme und Schutz gespendet. Trotz allem war es verwunderlich, dass er ausgerechnet deshalb aufwachte und nicht schon eher. Immerhin war Rin die ganze Strecke vom Wohnheim bis zur Schule gerannt.

Mit einem Satz sprang Skye schließlich heraus, breitet seine vier Flügel aus, um nicht direkt abzustürzen und verwandelte sich innerhalb einer Sekunde wieder in seine menschliche Gestalt.

„Er ist es also wirklich?“, fiel Akira die Kinnlade herunter. Der Schwarz-blauhaarige jedoch ignorierte den noch immer Fassungslosen und animierte die Kleingruppe endlich aufzubrechen: „Na los. Gehen wir endlich.“

 

Nach einem Fußmarsch auf der anderen Portalseite, erreichten sie endlich Amikas Wohnsitz, in welchem sie den Dungeon erneut betraten. Wieder musste das Mädchen zittern, als ein kalter Luftzug an ihr vorbeizog: „Mir war gar nicht mehr bewusste wie kalt das hier eigentlich ist.“

Um sich vor der Kälte zu schützen, versuchte sich die Schülerin in ihren blauen mantelartigen Umhang zu mummeln. Es half allerdings wenig. Nur ihre Begleiter sahen sie irritiert an.

„Es ist zwar schon recht kühl, aber kalt ist es doch nicht“, stellte der Schwarzhaarige fest. Sein Kumpel hingegen bot der Frostbeule Hilfe an: „Willst du meine Jacke haben?“

Noch ehe er es schaffte sie ihr zu übergeben, fanden sich die vier vor dem riesigen Tor wieder, an welchem sie zuletzt pausierten.

„Was ist denn jetzt passiert?“, schaute sich Rin ruckartig um. Der Jüngste klärte sie auf: „Ich habe uns an unseren letzten Standort zurückgebracht.“

Verstehend sah sie zu ihm herüber und stellte dann fasziniert fest, dass ihr plötzlich gar nicht mehr kalt war: „Eigenartig. Ist es hier auf einmal wärmer geworden? Das ist ja sogar richtig angenehm.“ „Ich finde es hier extrem warm“, zupfte Kuro an seinem Oberteil herum, um etwas kühle Luft abzubekommen. Auch Akira war der gleichen Meinung und band sich seine Kapuzenjacke um: „Es ist definitiv wärmer geworden. Vielleicht sogar ein paar Grad zu viel.“

„Wie lange wollt ihr noch über die Temperatur reden?“, versuchte Skye dem Gespräch ein Ende zu setzen, „Lasst uns endlich sehen was sich hinter dem Tor hier verbirgt.“

Ihm zustimmend, umklammerten alle mit festem Griff ihre Waffen und stießen die beiden Torflügel auf.

„Das ist ein so klischeehaftes Ereignis in jedem Rollenspiel“, ging Akira in Stellung, „Hinter dem großen Tor wartet der Endboss, den man besiegen muss, um irgendwen oder -was zu retten.“ „Haltet euch bereit“, richtete der Suzuki Erbe seine Pistolen in Richtung des sportplatzgroßen Raumes, welcher sich vor der Gruppe erstreckte.

Mutig ging die Blauhaarige einige Schritte in den großen Saal hinein und sah sich vorsichtig um. Die Jungs taten es ihr gleich und kamen direkt hinterher.

„Hier ist nichts und niemand“, bemerkte die Schülerin, als es im selben Moment plötzlich Blitze von der Decke regnete und sich die Eingangstür wie von Geisterhand mit einem lauten Knall selbst verriegelte.

Während die Gruppe damit beschäftigt war den Blitzen auszuweichen, manifestierte sich in der Mitte des Raumes eine gewaltig große Gestalt, die ein wenig aussah wie ein überdimensionaler Widder.

„Jetzt sitzen wir wie die Ratten im Käfig fest!“, rief der Rothaarige seinen Kameraden zu, „Ruft eure Personas, sonst gehen wir noch drauf!“ Etwas ängstlich fragte Rin: „Was ist das für ein Ding?“ „Sieht aus wie ein Widder“, kam es vom Schwarzhaarigen, welcher soeben seinen Smaragd zwischen den Fingern zerdrückte, „Persona!“

Auch das Mädchen tat es ihm gleich, warf ihren Saphir zu Boden und beschwor ebenfalls ihre Persona. Die Blitze wurden langsam weniger und verflüchtigten sich kurz drauf. Der perfekte Moment für die Blauhaarige, um einen Angriff zu starten: „Kyusagi, setz Kiri ein!“

Wie befohlen bewegte sich die Persona und feuerte einen heftigen Wasserstrahl auf ihren Gegner ab. Dieser machte keine Anstalten auszuweichen und ließ sich einfach treffen. Freudig winkelte die Schülerin daraufhin die Arme an und ballte die Fäuste: „Ja! Treffer!“ „Freu dich lieber nicht zu früh“, begutachtete Skye das Wesen, „Es schien ihm nichts ausgemacht zu haben.“ Erschrocken musste sie feststellen, dass er recht hatte: „Oh nein. Wie kann das denn sein?“

Kuro konnte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und gab Sarubi nun auch einen Befehl: „Doro!“

Dieser begann damit Schlamm und Gestein abzufeuern. Wieder traf es den Widder problemlos, doch dieses Mal zuckte er und wich einige Schritte zurück.

„Es scheint zu wirken!“, hellte sich das Gesicht des Jüngsten auf.

Die anderen freuten sich ebenfalls und konnten einen kleinen Lichtblick sehen. Auch der Rothaarige hatte nun das Gefühl etwas ausrichten zu können: „Kuro, kannst du mir ein paar kleine Brocken vorbereiten? Die schleudere ich ihm mit voller Wucht über.“

Zustimmend nickte angesprochener, breitete eine Hand aus und riss einen Teil der Steinwand mit seinen Erdkräften herunter.

„Genial!“, krallte sich sein Kumpel den erstbesten Stein, warf ihn in die Höhe und schlug mit voller Wucht mit seinem Baseballschläger dagegen. Mitten im Gesicht des Gegners prallte das Flugobjekt auf und rieselte langsam zu Boden.

Dem Tierwesen gefiel das gar nicht und es stampfte wütend mit den Vorderbeinen auf. Daraufhin setzte ein erneuter Blitzhagel ein und die Gruppe war wieder damit beschäftigt auszuweichen.

Während Rin auf akrobatischste Art und Weise den Geschossen ausweichen konnte, hatten ihre beiden Mitschüler größere Probleme. Bei einem der Ausweichmanöver fiel der Rothaarige zu Boden und wurde am Arm von einem der Blitze getroffen.

„Akira!“, kam ein besorgter Schrei von Kuro. Durch die Ablenkung wurde der Schwarzhaarige jedoch unaufmerksam und an seinem Bein streifte ihn einer der Angriffe, sodass es ebenfalls zu bluten begann. Der plötzliche Schmerz ließ auch ihn zu Boden gehen, als die Attacken endlich weniger wurden und erloschen.

Besorgt schaute die Blauhaarige zu ihren beiden Begleitern herüber: „Verdammt! Was macht ihr denn da? Geht’s euch gut?“ „Mir ist doch gar nichts passiert“, stand der Suzuki Erbe mit wackligen Beinen wieder auf, „Heile lieber mal Akira!“

Mit knirschenden Zähnen betrachtete sie wie er schwer atmend versuchte sich aufrechtzuhalten. Es machte sie wütend, dass er ihr eine so offensichtliche Lüge auftischen wollte. Trotz allem hatte er Recht. Akira brauchte dringender Hilfe, denn im Gegensatz zu seinem Kumpel lag dieser bewusstlos am Boden.

„Dia!“ befahl das Mädchen und Kyusagi stellte einen Teil seiner Kraft wieder her.

Langsam kam der Rothaarige wieder zu sich und versuchte aufzustehen. Jedoch schien er nicht mehr fähig zu kämpfen und Rin versuchte ihn mühselig an den Rand des Saales zu befördern: „Halte dich fest. Ich bringe dich zur Seite.“ „Blödsinn! Ich kann noch weiterkämpfen“, fluchte der Schüler über sich selbst.

Warum nur passierte immer ihm so etwas? Er konnte sich doch jetzt nicht einfach aus dem Kampf zurückziehen. Täte er das, wäre er doch völlig nutzlos. Selbst Skye, welcher nicht kämpfen konnte, war der Gruppe durch seine Navigation nützlicher als er selbst. Wann erwachte bloß endlich seine Persona? Er wollte doch auch helfen und das Mädchen auf der Suche ihrer besten Freundin unterstützen.

„Rede doch keinen Mist!“, mischte sich nun auch der Kleinste ein, „So bist du uns nur ein Klotz am Bein. Komm rüber zur Seite.“

Mürrisch tat er was ihm befohlen und gesellte sich zu dem Schwarz-blauhaarigen. An der Wand war wohl wirklich der sicherste Ort für ihn. Dort konnte man die Angriffe besser sehen und die Wahrscheinlichkeit war geringer, dass man hier etwas abbekam.

Erneut startete Kuro daraufhin einen Angriff und ließ Sarubi wieder mit seiner Elementarkraft angreifen. Wie sich durch die zurückschreckende Reaktion ihres Gegners herausstellte, waren seine Erdkräfte ziemlich effektiv gewesen.

„Sehr gut!“, ertönte Skyes Stimme wieder, „Erde scheint ziemlich effektiv zu sein. Sein Element muss vermutlich Elektro sein, deswegen hatte Wasser auch keine Wirkung! Versuch also was anderes, Rin!“ „Na der ist vielleicht lustig“, grinste das Mädchen schief und studierte nochmals die Attacken ihrer Persona. Daraufhin fand sie eine Attacke, die hilfreich aussah: „Los Kyusagi! Single Kick!“

Wie der Häsin befohlen, startete sie einen Angriff. Es handelte sich dabei um einen physischen, weshalb sie ihrem Gegner mit voller Kraft einen festen Tritt verpasste. Getroffen zuckte dieser zurück, schaffte es aber trotzdem unmittelbar danach einen einfachen Gegenangriff auf die Persona zu starten. So traf er mit einem leichten Elektroschock problemlos die Angreiferin. Diese ging mit einem lauten Aufschrei zu Boden, verflüssigte sich und kehrte in Form des Saphirs an den Schlüsselbund seiner Besitzerin zurück. Im selben Moment kippte auch das Mädchen vor inneren Schmerzen um und krümmte sich.

„W-was ist das?“, rang die Blauhaarige nach Luft.

Mit einer Hand knüllte sie krampfhaft ihr Shirt auf Brusthöhe zusammen und zog ihre Beine so nah heran, dass sie beinahe ihren Kopf berührten.

„Aikawa-chan! Was ist los?!“, erschallte Akiras besorgte Stimme im Raum.

Am liebsten wäre er wohl direkt zu ihr gestürmt. Dazu fehlte ihm jedoch die Kraft. Skye hingegen hielt es nicht lange neben dem Rothaarigen und er rannte zur Verletzten.

Vorsichtig rüttelte er an ihr: „He, was hast du denn? Wo hast du Schmerzen?“

Statt einer Antwort, bekam er nur einen schmerzerfüllten Blick, in welchem der kleine Mann leichte Panik ablas. Was hatte die Oberschülerin bloß? Ob es vielleicht mit ihrer Persona zusammenhing?

„Sie ging zu Boden, als auch Kyusagi getroffen wurde. Vermutlich hing das zusammen“, gesellte sich Kuro mit schnellem Schritt zu den beiden, „Du sagtest doch mal so einen Kram, dass sie aus unserem Herzen geboren wurden.“ „Ja, aber dass Rin solche großen Schmerzen hat ist doch nicht mehr normal“, stieg die Verzweiflung in dem Schwarz-blauhaarigem.

Noch ehe sie das Gespräch weiterführen konnten, begann plötzlich wieder ein Blitzgewitter auf sie niederzuregnen.

„Achtung!“, versuchte der Rothaarige seine Kameraden zu warnen. Allerdings zu spät, denn erneut wurde der Suzuki-Erbe von einem der Angriffe gestreift. Dieses Mal erwischte es ihn nur leicht an der Wange, an welcher ein kleiner blutender Schnitt zurückblieb. Das Ganze schien ihn aber wenig zu interessieren, denn seine Aufmerksam galt noch immer der Verletzten.

Was sollte er bloß tun? Da sie nun außer Gefecht war, musste er ganz allein gegen diesen gewaltigen Widder ankommen. Außerdem musste er auch zusehen, dass seinen Kameraden nichts geschah. Wie konnte er gleichzeitig sich selbst und die anderen schützen, während er gegen dieses Wesen ankämpfen musste? Es war praktisch unmöglich. Strenggenommen hatte somit sein letztes Stündlein geschlagen und das wusste er auch. Schweißperlen rannen ihm die Stirn herunter und er dachte angestrengt nach, welcher Ausweg ihm noch blieb. Aufgeben würde er nicht. So viel stand für ihn fest.

Mit knirschenden Zähnen breitete Kuro schließlich seine Hände in ihre Richtung aus und konzentrierte sich angestrengt. Er sah ziemlich verkrampft und verzweifelt aus, als plötzlich wie aus dem Nichts der Boden unter dem Mädchen leicht bebte und die Erde sich blitzschnell verformte. Es entstand ein kleiner Unterschlupf, welcher sowohl die Schülerin als auch Skye vor den Blitzen schützte. Einzig der Schwarzhaarige selbst war nicht geschützt und bekam noch den ein oder anderen Angriff ab. Allerdings hatte er jedes Mal unverschämtes Glück, denn die Angriffe streiften ihn immer nur und fügten ihm lediglich einige schmerzhafte Schnittwunden zu. Trotz allem blieb er tapfer auf den Beinen und versuchte zu kämpfen.

„Na komm schon, Sarubi! Den machen wir doch mit Links platt! Doro!“, rief Kuro seiner Persona zu, welche sich sofort in Bewegung setzte.

Zusätzlich zu den Erdangriffen des Affen, sah der Oberschüler wie kleine Gesteinsbrocken auf den Widder abgefeuert wurden. Es war Akira, welcher es nicht auf sich sitzen lassen konnte, dass sein Kumpel allein an der Front stand.

Zwar hatte das Blitzgewitter wieder aufgehört, dennoch wollte der Schwarzhaarige, dass sein Kamerad sich nicht einmischte: „Hör auf Akira! Du hast doch gar keine Kraft mehr! Am Ende muss ich auch noch ein Erdschutz für dich erschaffen. Dazu fehlt mir die Energie!“ „Blödsinn! Mir geht’s gut!“, kam eine verstimmte Retourkutsche, „Konzentrier dich auf den Kampf und nicht auf mich!“ „Wie du meinst“, wendete sich der Erdelementar wieder dem Geschehen zu.

Wieder und wieder hetzte er Sarubi auf den Gegner, attackierte ihn mit seinen eigenen Erdkräften, wich seinen Blitzgeschossen aus und wurde dabei tatkräftig von seinem Kumpel Akira unterstützt.

Nach einiger Zeit brach das Geschöpf schließlich zusammen und ging mit einem dumpfen Knall zu Boden.

„Gleich haben wir ihn!“, jubelte der Rotschopf siegessicher. Mit breitem Grinsen gab Kuro seiner Persona daraufhin einen erneuten Befehl: „Na los, setze nochmal Doro ein!“

Ein regelrechter Erdhagel mit Schlamm und Gesteinsbrocken prasselte erneut auf das überdimensionale Tier nieder, welches kurz darauf plötzlich zu Staub verpuffte.

„Er ist weg“, sackte der Suzuki-Erbe erleichtert zu Boden, „Wir haben es geschafft!“

Noch immer fassungslos starrte er nach vorne, wo wenige Sekunden zuvor noch das riesige Wesen wütete. Er hätte nicht gedacht, dass sie es schaffen würden es zu besiegen. Wenn er ehrlich war, dachte er, er würde hier nicht mehr lebendig rauskommen.

Nach Luft ringend versuchte der Oberschüler sein Herz wieder zu beruhigen. Erst jetzt wurde ihm klar, wie sehr er sich doch verausgabt hatte. Jeder einzelne Schnitt an seinem Körper pochte wie wild und all seine Glieder brannten vor Schmerz.

„Du warst klasse!“, setzte sich Akira neben den Schwarzhaarigen, „Ohne dich wären wir alle draufgegangen.“ „Ich dachte auch schon wir seien alle dem Tode geweiht. Aber wie geht es dir und deinem Arm?“, wechselte der Held des Tages das Thema. „Einigermaßen gut. Dieser Elektroschock hatte mir zwar ganz schön zugesetzt, aber nun geht es wieder. Ich habe nur noch diese blöde Wunde“, deutete der junge Mann auf seinen Arm, „Was ich aber nicht verstehe ist, wieso du keine Elektroschocks abbekommen hast. Nur Schnittwunden sind bei dir entstanden.“ „Vermutlich liegt das an seinem Element“, kroch Skye aus dem Unterschlupf und gesellte sich zu den beiden Jungs, „Erde ist effektiv gegen Elektro. Andersherum hat es aber keinerlei Wirkung.“ „Leuchtet irgendwie ein“, nickte der Schwarzhaarige. Auch sein Kumpel nickte verstehend, ehe er schlagartig das Thema auf die Oberschülerin lenkte: „Ach herrje. Durch das ganze Adrenalin habe ich Aikawa-chan total vergessen! Geht es ihr besser?“ „Ja, es ist alles wieder in Ordnung. Sie kommt gleich und dann müssen wir erstmal unsere Wunden versorgen“, versuchte der Schwarz-blauhaarige scheinbar wieder davon abzulenken.

 

Währenddessen saß eine verzweifelte Rin in ihrem Gesteinsversteck. Sie hatte Glück, dass der Schmerz wieder komplett vergangen war. Lediglich etwas erschöpft war sie noch. Jedoch war das definitiv ihr kleinstes Problem, denn sie war völlig unerwartet plötzlich wieder zum Jungen geworden! Gott sei Dank konnten ihre Kameraden sie jetzt nicht sehen, da die Öffnung des Baus zur anderen Seite ging. Trotzdem musste sie schleunigst wieder zum Mädchen werden. Bislang hatte sie doch immer nach einer Runde Schlaf wieder ihre alte Gestalt. Aber sie konnte sich ja jetzt schlecht schlafen legen. Skye war ihr da auch keine große Hilfe, denn er wusste ebenfalls keine Antwort auf ihr Problem. Laut schnaubte sie einmal auf und ließ den Kopf hängen, als plötzlich eine Gestalt vor ihr auftauchte. Schlagartig zuckte sie zusammen, da sie mit niemandem gerechnet hatte.

„Ey, heil mich“, ging Kuro vor ihr in die Hocke. „Siehst du nicht, dass ich grad andere Probleme habe?!“, fauchte sie ihn im Flüsterton an.

Was erlaubte sich der Kerl ihr einfach Befehle zu erteilen? Sie war doch nicht sein Sklave!

„Oh, bist du wieder zum Transvestiten geworden?“, kam es recht gelangweilt aus dem Schwarzhaarigen. „Das ist nicht lustig!“, fuhr sie ihn, noch immer im leisen Ton, an, „Schrei das nicht so durch die Gegend und hilf mir lieber! Dann heile ich dich von mir aus auch.“ „Wie soll ich dir denn helfen? Was weiß denn ich warum du das tust?“, plumpste der Erdelementar auf den Po und setzte sich im Schneidersitz vor die Verzweifelte. Genervt von seiner Art keifte sie ihn erneut an: „Du weißt genau, dass ich das nicht mit Absicht mache! Es passiert einfach.“ „Dann erzähl doch mal wann das bisher immer passierte“, stützte er seinen Kopf gelangweilt auf den Arm und sah die Blauhaarige fordernd an. Diese musste kurz überlegen: „Na ja, wenn ich so drüber nachdenke ist das bisher eigentlich immer nur dann passiert, wenn ich durch das Portal wieder in unsere Welt zurückgereist bin. Als ich mich dann abends schlafengelegt habe, bin ich morgens wieder als Mädchen aufgewacht.“ „Dann ist das hier also die erste Ausnahme?“, grübelte er angestrengt nach.

Mit einem Nicken des Mädchens brach eine kurze Stille herein.

Es dauerte nicht lange, bis der Suzuki-Erbe sie aber wieder brach: „Lass Kyusagi dich heilen.“ „Wieso das denn jetzt auf einmal?“, verstand die Persona-Userin nicht worauf ihr Gegenüber hinauswollte, „Ich habe grad andere Sorgen als irgendwelche minimalen Verletzungen.“ „Kannst du nicht einmal das machen, was man dir sagt?“, erntete sie mal wieder einen genervten Blick. „Nein“, blies sie ihre Wangen auf, „Nicht wenn der Befehl von dir kommt.“ „Na dann bleib ebenso wie du bist“, stand der junge Mann schwerfällig wieder auf und wollte wieder zurück zu den anderen beiden gehen. „Warte“, krallte sie sich mit der Hand an seinem Hosenbein fest, „Ich mache es ja schon.“

Wenige Sekunden später erschien ihre Persona, welche von Rin den Befehl zu Heilung erhielt. In Energie gehüllt verspürte die Oberschülerin eine angenehme Wärme, welche ihr zu neuer Kraft verhalf und ihre letzten Schmerzen davonblies. Nach Kyusagis getaner Arbeit sah Betroffene an sich herunter und konnte es kaum fassen, als soeben eine Strähne ihrer langen Haare über ihre Schulter fiel. Sie war tatsächlich wieder sie Alte!

„Wie geht das denn?“, konnte sie es einfach nicht glauben, dass diese simple Idee ihr half. Mit verschränkten Armen und siegessicherem Blick sah der Schwarzhaarige zu ihr hinunter: „Ich hab‘s ja gesagt.“ „Halt die Klappe“, knurrte sie ihren Retter an, während sie auch endlich aufstand, „Sag mir lieber wieso das geholfen hat und wie du darauf gekommen bist.“ „Halte gefälligst erst dein Versprechen ein“, forderte er. „He…“, ignorierte die Blauhaarige seine Forderung und sah ihn verdutzt an, „Seit wann bist du kleiner als ich?“ „Bin ich gar nicht!“, wendete der junge Mann seinen Blick ab. „Natürlich! Eigentlich bist du einen ganzen Kopf größer als ich“, versuchte sie seine jetzige Größe zu bestimmen, „Jetzt gehst du mir nur noch bis zur Stirn!“ „Ist doch egal! Mach lieber hin und halte dein Versprechen!“, fühlte sich der Oberschüler sichtlich unwohl in seiner Haut. Mit einem schadenfreudigen Kichern entgegnete sie ihm: „Das ist ja total witzig. Schämst du dich etwa dafür, dass du so winzig geworden bist? Ist das etwa der Nebeneffekt, deiner Kräfte?“

Sie ignorierend blickte er weiterhin in eine andere Richtung, während sie ziemlich viel Spaß daran hatte auf ihm herumzuhacken. So, wie er es sonst bei ihr tat.

Allerdings hatte der Schwarzhaarige nach Kurzem dann doch genug, wandte sich wieder zu ihr und brüllte sie aggressiv an: „Jetzt halt endlich deine dumme Schnauze! Du Versprechens-Brecher!“

Ruckartig zuckte das Mädchen plötzlich zusammen und war starr vor Angst. Seine plötzliche aggressive Ader kam unerwartet. In letzter Zeit warf er ihr nur gemeine Worte an den Kopf, ohne dabei zu Brüllen oder angriffslustig zu werden, weswegen sie nun sehr perplex war.

Kleinlaut befahl sie der Häsin schlussendlich auch auf Kuro „Dia“ zu wirken, welcher daraufhin wieder auf Normalgröße wuchs.

Mit großen Augen starrte sie dieses Ereignis an und plötzlich schien es ihr wie Schuppen von den Augen zu fallen. Durch die Erschöpfung des Schwarzhaarigen schrumpfte er und mit der Energiezufuhr wuchs er wieder. Vermutlich dachte er, dass es bei Rin genauso sei, dass sie bei Erschöpfung das Geschlecht wechselte und sobald sie wieder Energie hatte, sich alles wieder normalisierte. Also hatte wahrscheinlich auch sie eine echt dämliche Nebenwirkung durch ihre unnötigen Kräfte erlang. Das schien jedenfalls die einzige logische Erklärung zu sein. Allerdings hätte sie dann doch lieber mit dem Kerl ihr gegenüber getauscht.

„Na geht doch“, sah der junge Mann freudig an sich herunter. „Du bist trotzdem ein Idiot!“, wurde ihm frech die Zunge herausgesteckt, bevor Rin zu Akira und Skye rüberging, um sich auch um sie zu kümmern.

„Was habt ihr denn so lange bequatscht? Hat er dich wieder geärgert?“, fragte der Rothaarige neugierig nach. Die Oberschülerin jedoch winkte nur ab: „Ach vergiss es einfach. Bei dem ist eh Hopfen und Malz verloren.“ „Hey, sei gefälligst mal etwas dankbarer zu deinem Lebensretter“, meldete sich dieser zu Wort. „Wieso sollte ich?“, kam eine patzige Antwort zurück.

Noch ehe die beiden Streithähne erneut in Fahrt kommen konnten, versuchte Akira das Gespräch in eine andere Richtung zu drücken: „Wisst ihr was ich nicht verstehe? Wenn das der Endboss war, wo ist denn dann nun Shiori-chan?“

Suchend sah sich die Kleingruppe im ganzen Raum um und stellte fest, dass er recht hatte. Weit und breit war nichts und niemand zu sehen. Gegenüber dem Eingangstor lag in der Ferne lediglich ein weiteres Tor. Vermutlich der Ausgang?

„Ich bin dafür, dass wir durch das große Holztor da gehen. Ami ist bestimmt direkt dahinter“, zeigte die Blauhaarige mit dem Finger in besagte Richtung. Der Suzuki Erbe hingegen war skeptisch: „Das ist noch immer unlogisch. Wer sagt, dass wir sie finden müssen? Ihr Körper liegt im Krankenhaus und nicht in diesem Labyrinth. Vielleicht hat es schon ausgereicht dieses Ding zu erledigen und sie ist mittlerweile wieder putzmunter.“ „Eine Garantie dafür haben wir aber trotzdem nicht!“, keifte Rin ihn an.

Wütend machte sie sich daraufhin einfach auf den Weg zum vermuteten Ausgang, als ihr Skye hinterherkam: „Du weißt doch, dass er es nicht böse meint. Nach diesem gefährlichen Kampf ist es aber nicht verwunderlich. Wenn ihr am Ende wirklich draufgeht, ist keinem geholfen.“ „Ich weiß“, schnaubte das Mädchen laut auf, „Aber ich bin bereit dieses Risiko einzugehen. Täte ich es nicht, würde ich es mein Leben lang bereuen.“ „Du bist wirklich mutig.“

Kurz verweilten die beiden vor der großen Holzdoppeltür, ehe sie diese gemeinsam aufstießen. Auch die Nachzügler hatten sich nun wieder zu ihnen gesellt und gemeinsam sahen alle in einen langen Gang.


Danke fürs Lesen :)

Hoffe es hat euch gefallen <3

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