Special 02 - Die Liebesbriefnorm


Valetinsspecial

Ende März 2014

 

Es war früh am Morgen, als ein Mädchen in Matrosenuniform durch die Straßen von Aehara rannte. Ihr Schulrucksack hing nur über der linken Schulter und wurde zusätzlich mit ihrer linken Hand festgehalten. In der Rechten hielt sie eine angebissene Scheibe Toast, welche ziemlich ungleichmäßig mit Marmelade bestrichen war. Im Wind wehten ihre langen mittelblauen Haare, welche völlig zerzaust waren, als hätte sie diese vergessen zu bürsten.

„Verdammt!“, stoppte sie ungeduldig an einer roten Fußgängerampel, „Ich komme zu spät! Und das am letzten Schultag!“

Kaum war das Signal wieder auf Grün umgesprungen, rannte die Schülerin weiter. Bis zum Schulgebäude hielt sie problemlos ihre Geschwindigkeit und kam sogar noch vor dem Klingeln bei den Schuhfächern am Eingang an.

Kurz stützte sie die Hände auf die Knie und schnaufte schwer: „Mist, ich muss mehr trainieren.“

Danach rappelte sie sich schnell wieder auf und wischte den Schweiß von der Stirn, ehe sie zügig die Straßenschuhe auszog. Als die Blauhaarige ihr Schuhfach öffnete, um die Hausschuhe herauszuholen, flatterte ihr ein roter Briefumschlag entgegen.

„Was ist das denn? Wieder eine Herausforderung im Sport?“, hob sie den Brief vom Boden auf.

Grade als sie ihn öffnen wollte ertönte die Schulklingel zum Unterricht, wodurch die Schülerin erschrak und zusammenzuckte. Eilig wechselte sie ihre Schuhe und warf die Ausgezogenen ins Fach, ehe sie zu ihrem Klassensaal rannte. Tatsächlich schaffte sie es noch vor dem Lehrer und schmiss ihre Tasche zusammen mit dem Umschlag auf den Tisch, als sie sich fertig mit der Welt auf ihren Stuhl fallenließ.

„Das war knapp“, schnaubte sie geschafft und hing wie ein nasser Sack zurückgelehnt über der Stuhllehne. „Allerdings“, ertönte eine weibliche Stimme neben ihr.

Diese gehörte einer Schülerin mit rot-braunem schulterlangem Haar, welche die Zuspätkommende angrinste.

„Und? Was ist dieses Mal die Ausrede, Rinacchi?“, legte die Brünette neugierig den Kopf schief. „Keine Ausrede“, richtete sich Angesprochene wieder auf, „Ami, du glaubst es nicht: Mein Bruder hat vergessen mich zu wecken!“ „Wie ich dich kenne hatte er es nach dem dritten Mal aufgegeben“, zog ihre beste Freundin eine Braue hoch.

Noch ehe sie darüber diskutieren konnten, kam endlich der Klassenlehrer die Tür herein und begann den Unterricht. Wobei man am letzten Schultag der Mittelstufe jetzt nicht von effektivem Unterricht sprechen konnte. Sie würden nun ein paar Stündchen im Klassenraum verbringen und im Anschluss in die große Aula zur Abschlusszeremonie gehen. Dennoch war strikte Anwesenheitspflicht.

„Was ist das eigentlich?“, tuschelte Amika und deutet auf den Brief. Die Blauhaarige winkte nur gleichgültig ab: „Ach, nur eine Herausforderung oder so. War heute Morgen in meinem Schuhfach.“

Neugierig wie ihre beste Freundin war, schnappte sie sich das Schriftstück und öffnete es einfach. Rin schien das eher kaltzulassen, denn sie starrte weiterhin nach vorne zum langweiligen Geschehen, welches sich „Unterricht“ schimpfte. Durch den ganzen Stress am frühen Morgen, hatte das Mädchen mittlerweile echt Schwierigkeiten ihre Augen offenzuhalten. Jetzt, da sie endlich saß und zur Ruhe kam, kehrte ihre Morgenmüdigkeit wieder zurück.

Gerade, als sie gedankenlos am Dösen war, wurde sie von der Brünetten mehrfach schnell hintereinander auf den Oberarm geschlagen. Schreckhaft zuckte Rin daraufhin zusammen: „AU!“

Sofort drehte sich die komplette Klasse zur Aufgeschrienen herum und musterte sie. Natürlich wollte jeder wissen was los war, doch der Klassenlehrer duldete diesen Aufruhr nicht: „Aikawa! Möchtest du uns etwas mitteilen?!“

Mit strengem Blick sah er sie an und bekam eine beschämte verneinende Antwort.

Nachdem alle wieder ihren Blick abgewandt hatten, zickte Rin ihre beste Freundin leise an: „Was sollte das?!“ „Sorry“, grinste diese nur schief.

Sie kramte daraufhin den unter der Bank versteckten Brief wieder heraus und legte ihn der Blauhaarigen hin: „Ließ.“

Aufgeregt und mit einem sichtlich erfreuten Gesichtsausdruck sah die Brünette ihrer Mitschülerin dabei zu, wie sie die kurzen Zeilen las. Sie konnte es nicht abwarten den Blick des Mädchens zu sehen.

Sekunden später drehte Rin den Kopf zur Wartenden herum und blickte ziemlich kritisch drein: „Als ob.“

Daraufhin faltete sie das Schreiben zusammen und verstaute es unter ihrer Bank.

„Jetzt sei doch nicht so“, stammelte die Brünette, „Der ist sowas von Echt. Ein waschechter Liebesbrief!“ „Dir ist aber schon klar, was da für ein dämlicher Murks steht, oder?“, konnte sie es nicht fassen. „Ja, ich hab ihn doch auch gelesen“, nickte Amika aufgeregt, „Da stand:

Liebe Aikawa-chan,

ich bin schon lange in dich verliebt.

Wenn du wissen willst wer ich bin, dann komm nach der Abschlusszeremonie hinter den Geräteschuppen.“

„Du kannst es auswendig?“, erntete die Schwärmerin wieder einen ungläubigen und verstörten Blick. „Natürlich. Das ist doch total romantisch“, musste die Mittelschülerin ein leises Quieken unterdrücken. „Du spinnst! Der Brief ist sowas von fake. Da will mich nur wieder einer der beiden verarschen“, stützte Rin den Kopf auf ihren Händen ab, „Abgesehen davon wurden da sämtliche Liebesbriefregeln gebrochen.“ Verdutzt blickte die Brünette drein: „Hä?“ „Na, du weist schon. So ein Liebesbrief ist nur dann korrekt und ansprechend, wenn er auch richtig geschrieben ist“, zuckte sie mit den Schultern. „Da sind doch gar keine Rechtschreibfehler drin gewesen?“, kapierte Amika gar nichts mehr. Genervt kam es von der Blauhaarigen: „Das meine ich doch auch gar nicht. Es gibt eine Norm in der man solche Briefe aufsetzt. Und die stimmt nicht. Das ist komplett durcheinander.“ „Eine Norm? Regeln? Meinst du die Zeilenabstände?“, versuchte ihre beste Freundin herauszufinden was gemeint war. „Ich erkläre es dir in der Pause“, schlug sich Rin die Handfläche an die Stirn.

 

Während die beiden Mädchen, allen voran Amika, auf die Pause warteten, gingen der Blauhaarigen ziemlich viele Gedanken durch den Kopf. Auf das Geschehen im Klassenzimmer konnte sie sich schon lange nicht mehr konzentrieren und müde war sie nach dieser Aktion nun auch nicht mehr.

Zwar versuchte sie ihrer besten Freundin klarzumachen, dass sie nur wieder verarscht wurde, doch irgendwie wollte sie auch selbst daran glauben, dass es wahr sein könnte. Allerdings gab es da so zwei Kerle in ihrer Klasse, die ihr das Leben gerne mal zur Hölle machten: Akira Yoshida und Ayumu Kuroya.

Innerlich versuchte sie sich darauf vorzubereiten, dass sie nur wieder zum Narren gehalten wurde, damit der Schmerz am Ende nicht zu heftig ausfallen würde. Trotzdem schweiften ihre Gedanken immerzu um den blöden Brief. Es wäre ihre erste richtige Liebeserklärung von einem Jungen und sie wollte einfach dran glauben, dass es jemand ernst meinte und sie wirklich mochte.

Sie seufzte schwer.

Aber selbst, wenn es ernst gemeint war, so musste sie dem armen Jungen dennoch eine Abfuhr erteilen. In wenigen Tagen würde sie die Reise zu ihrem Auslandsstipendium antreten. Ganze drei Jahre wäre sie dann in Übersee und könnte nie und nimmer eine Beziehung aufrechterhalten. Auch wenn sie sich das gerne erträumte, so musste sie doch realistisch bleiben. Vielleicht würde sie ja dann in Amerika einen netten Jungen kennenlernen?

Erneut musste die Blauhaarige schwer seufzen. Egal wie es am Ende kommen wird, es würde keine romantische Liebesbeziehung zustande kommen. Abgesehen davon müsste ihr der Kerl ja auch gefallen. Aber so eine Beziehung wäre prinzipiell schon etwas Feines.

Noch einige weitere Male hielt das Mädchen ein Seufz-Konzert ab, woraufhin sie mehrfach von Amika fragend angesehen wurde.

 

Als es endlich zur kurzen Pause klingelte konnte die Brünette nichts mehr halten: „Jetzt erzähl schon. Wieso willst du dem Brief nicht glauben? Was für eine Norm stimmt nicht? Und warum seufzt du die ganze Zeit vor dich hin?“ „Na überleg doch mal“, setzte Rin an, „Es gibt zwei Arten solcher Briefe. Entweder man schreibt ganz normal, dass man den Empfänger liebt und setzt seinen Namen drunter oder man schreibt, dass man denjenigen treffen möchte. Und dann nennt man Ort und Zeit, schreibt aber nicht dazu, dass man sich in diesen verliebt hat.“ „Okay?“, erntete die Blauhaarige einen kritischen Blick. „Das ist einfach so, glaub mir. Und man schreibt auch niemals ‚Ich habe mich in dich verliebt‘, sondern klipp und klar ‚Ich liebe dich‘. Wie soll man sowas denn sonst ernst nehmen“, sprach sie voller Überzeugung.

Als ihre beste Freundin soeben dazu ansetzte was zu sagen, flog plötzlich eine Papierkugel gegen den Kopf der Blauhaarigen. Mit einem lauten „Aua!“ fuhr Abgeschossene herum. Schräg vor ihr erspähte sie das freche Grinsen Akiras, welcher ihr den Müll offensichtlich mit voller Absicht gegen den Kopf geworfen hatte.

„Ups. Da habe ich wohl den Mülleimer verfehlt“, lachte er und wandte sich wieder von ihr ab. „Der steht doch ganz woanders!“, fuhr sie aus der Haut, wurde jedoch von ihrer besten Freundin zurückgehalten.

„Ignorier ihn“, redete Amika auf sie ein, „Erklär mir lieber woher du deine Liebesbriefweisheiten hast. Das ist doch völliger Mist. Ist doch komplett egal wie das da drinsteht.“ „Nein ist es gar nicht. In Mangas läuft das immer so ab. Und früher oder später kommen sie dann zusammen. Aber bei so einem Chaos kann das doch nichts werden“, verschränkte sie die Arme.

Fassungslos starrte die Brünette sie an. Versuchte Rin ihr soeben klarzumachen, dass der Liebesbrief fake war, weil er der Manga-Norm nicht entsprach? Das konnte unmöglich ihr Ernst sein.

„Äh… Rinacchi? Du weißt aber schon, dass Mangas fiktiv sind, oder?“, versuchte sie ihre Freundin zur Vernunft zu bringen. „Nur weil die Charaktere in Echt nicht existieren, heißt das nicht, dass die Handlungen unecht sind“, zuckte sie mit den Schultern. Ihr Gegenüber griff sich noch immer fassungslos an die Stirn: „Ich sag es mal anders. Es gibt auch Mangas, in denen solche ‚chaotischen‘ Liebesbriefe geschrieben werden. Es gibt sogar welche in denen nur von ‚mögen‘ und nicht von ‚lieben‘ die Rede ist.“ „Nein, nein, nein, das kann nicht sein“, winkte die Blauhaarige direkt ab, „Ich kenne tausende Mangas. Das ist nie der Fall.“ Laut schnaubte Amika: „Von mir aus, dann denk eben was du willst. Aber du solltest wissen, dass wir nicht im Manga sind und dieser Brief echter als echt ist.“ „Willst du wetten, dass er es nicht ist? Der Verlierer schuldet dem Gewinner ein Eis“, schlug die Schülerin siegessicher vor. Freudig gab die Brünette ihr die Hand darauf: „Dann schuldest du mir nach der Schule ein Eis.“ „Abwarten“, bekam sie nur als Antwort.

Nachdem die Wette besiegelt war, wollte Rin nochmal ganz schnell zur Toilette gehen, doch kaum war sie aus dem Klassenraum herausgeeilt, stand ihr einer ihrer Mitschüler im Weg.

Es war kein geringerer als Kuro, welcher sich vor der Schülerin breitmachte und ihr mit dem Finger gegen die Stirn schnipste: „Du bist wirklich dumm wie Brot.“ „Au!“, hielt sie sich die schmerzende Stelle.

Doch noch ehe sie ihm kontra geben konnte, war er auch schon in die Klasse zurückgegangen.

„So ein Blödmann“, nuschelte das Mädchen, „Was habe ich den beiden nur getan, dass sie immer so fies sind?“

 

Nach der Abschlusszeremonie, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte, war Rin schließlich im Klammergriff einer Heulboje namens Amika gefangen.

„Nie wieder können wir hierher zurückkehren“, heulte sie wie ein Schlosshund, „Nie wieder werden wir diese schöne Zeit nochmal erleben dürfen. Und dann bist du auch noch weit weg.“

Unaufhörlich jammerte und weinte sie, da sie das Abschiednehmen so mitnahm. Die Blauhaarige hingegen war ziemlich gefasst und eher mit etwas Angst vor dem Ungewissen bedacht. Sie wusste noch nicht was genau sie in Amerika erwarten würde und ob sie sich dort gut einleben könnte. Außerdem kannte sie dort ja auch keinen und konnte sich an niemanden wenden, wenn sie Probleme bekommen sollte. Auch hatte sie etwas Angst davor den Verfasser des Briefes nun anzutreffen. Sie war mittlerweile gar nicht mehr so sicher was sie erwarten würde. Irgendwie hoffte sie ja, dass ihre beste Freundin recht behielt, andererseits wollte sie sich keine großen Hoffnungen machen. Vielleicht stand dort am Ende ja auch gar keiner und sie wurde nur veralbert. Abgesehen davon fragte sie sich schon den ganzen Tag, wer ihr diesen Brief geschrieben hatte. Sie zog einige mögliche Jungs in Betracht. Manche davon machten potenziell Sinn, andere hingegen waren eher Wunschdenken. Je mehr sie daran dachte, umso chaotischer wurde es in ihrem Kopf.

„He, Ami. Lass mich endlich los“, kam es von der eingequetschten Schülerin, „Du zerdrückst mich noch.“ „Aber wenn ich dich loslasse gehst du weheeg…!“, heulte Amika wie ein kleines Kind. „Ich komme immer wieder zu dir zurück“, tätschelte die Blauhaarige ihr den Kopf.

Es dauerte kurz, bis sie die Brünette davon überzeug hatte endlich loszulassen. Sie sahen sich ja sowieso gleich wieder, um Eis essenzugehen. Rin musste nur noch schnell die Entscheidung bringen, wer die Glückliche war, die zahlen musste.

 

Ziemlich langsam schlenderte Rin in die Richtung des abgelegenen Geräteschuppens. Je näher sie ihrem Ziel kam, umso weniger Schüler fand sie vor. Auch wurde ihr Herzrasen immer heftiger. Obwohl es nur darum ging, dass jemand anderes in sie verliebt war, konnte sie ihre Aufregung und das stark pochende Herz nicht unterdrücken. Am liebsten wäre sie nicht hingegangen, denn prinzipiell hatte es für sie sowieso keinen Sinn. Allerdings wäre ihre Neugierde dann nie gestillt. Sie wollte unbedingt wissen wer ihr den Liebesbrief untergejubelt hatte. Außerdem würde sie die Wette mit ihrer besten Freundin automatisch verlieren, wenn sie kneifen würde.

Sie schnaubte einmal laut, ballte ihre Fäuste und ging sicheren Schrittes zum verabredeten Ort. Weglaufen war keine Option mehr, denn jetzt war Zähne zusammenbeißen angesagt. Wie würde das denn aussehen, wenn diejenige, die das Geständnis bekommt nervöser wäre als der der sich offenbarte? Total unromantisch und lächerlich.

Von Weitem konnte die Schülerin bereits einen Jungen vor dem Schuppen stehen sehen. Er hatte eine schwarze Mütze auf dem Kopf und trug die Schuluniform recht schlampig.

„Ist das Yoshida-kun?“, musste Rin die Augen zusammenkneifen.

Plötzlich war sie sich gar nicht mehr sicher, ob sie wirklich weitergehen sollte. Akira hatte sie hundertpro wieder mal auf die Schippe genommen und machte sich nun lustig. Einige lange Sekunden haderte das Mädchen wirklich, ob sie nicht doch umdrehen sollte. Jedoch fasste sie sich ein Herz und beschloss ihm mal so richtig die Leviten zu lesen für all seine Gemeinheiten. Dieser gefakte Liebesbrief setzte dem Ganzen nämlich wirklich die Krone auf.

Als sie dann nur noch wenige Meter von ihm entfernt war, bemerkte sie, dass sie sich geirrt hatte. Es war gar nicht der Rotschopf, welcher da vor dem Gebäude wartete. Sie kannte den Jungen nicht. Er sah ihm nur ähnlich.

„Wer bist du?“, fragte die Blauhaarige prompt, als sie bei ihm zum Stehen kam. Ein verwunderter Gesichtsausdruck traf sie: „Äh… Arata Sakurai.“ „Ah, okay. Ich hab dich noch nie gesehen, deswegen…“, erklärte sie die Frage. „Macht nichts“, lächelte er freundlich, „Dafür kenne ich dich. Du bist hier das Sport-Ass schlechthin.“

Kurz musste sie schmunzeln, ehe sie überlegte wie sie anfangen sollte.

„Du, hör mal. Also genau deshalb solltest du eines wissen“, stammelte die Blauhaarige, „Ich habe ein Sportstipendium in Übersee bekommen.“

Wieder traf sie ein überraschter Blick und der arme Kerl schien ziemlich überfordert mit dieser Info zu sein.

„Wie soll ich es am besten sagen. Na ja… Ich freue mich wirklich über dein Geständnis und den Brief. Ehrlich, das ehrt mich, da es mich irgendwie glücklich macht zu wissen, dass es jemanden gibt, der mich mag“, machte sie eine kurze Pause und verbeugte sich dann tief, „Aber ich kann nicht mit dir zusammen sein. Immerhin bin ich für 3 Jahre auf einem anderen Kontinent. Es tut mir schrecklich leid.“

Einige lange Sekunden zogen ins Land und Schweigen brauch über die beiden, ehe sich die Heruntergebeugte langsam wieder aufrappelte und dem Schüler ins Gesicht schaute. Dieser starrte sie fassungslos an und wusste nicht recht was er darauf antworten sollte.

„Sag doch was“, stammelte die Schülerin. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und schaute in eine andere Richtung: „W-was soll ich denn sagen?“ „Na was du denkst?“, schaute Rin besorgt drein. „Was ich denke?“, hakte er nach, „Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich das grad nicht. Ich weiß ja nicht mal von was du da generell redest.“ Nun war es die Blauhaarige, die überrascht dreinblickte: „Na von dem Liebesbrief? Den, den du mir in mein Schuhfach gelegt hast. Du hast geschrieben, dass du mich liebst und mich hier treffen willst.“

Plötzlich kam ein brünettes Mädchen aus der Richtung der Clubräume angerannt und schimpfte wie wild mit dem Wartenden: „Ist das wahr, Arata?! Spinnst du oder was?! Willst du mir etwa fremdgehen?!“

Sofort erntete der Mützenträger eine Ohrfeige der Brünetten, ehe sie wütend unter Tränen davonrannte. Natürlich machte sich Arata ebenfalls auf die Socken und rannte ihr hinterher: „Wieso fremdgehen?! Ich hab nie einen Liebesbrief geschrieben! He, jetzt warte doch mal!“

Noch einige Sekunden starrte Rin sichtlich irritiert in die Richtung, in der die beiden verschwunden waren. Sie waren schon gar nicht mehr zu sehen und trotzdem wendete sich ihr Blick nicht ab. Was war da eben passiert? War er etwa nicht der Verfasser des Briefes? Aber er stand doch am Geräteschuppen. Oder?

Plötzlich erschallte lautes Gelächter und Akira kam um die Ecke gebogen. Er hatte sich scheinbar versteckt und das ganze Szenario mitangehört. Wie peinlich war das denn?

Vor Scham lief die Schülerin knallrot an und blickte gen Boden. Wütend darüber, dass er sie auslachte, ballte sie ihre Fäuste und zog die Schultern hoch und den Kopf ein. Was sollte sie ihm entgegensetzen? Was bloß? Das konnte sie doch nicht mit sich machen lassen. Schon wieder schikanierte er sie maßlos. Am liebsten hätte sie ihn angeschrien und kurz und klein geschlagen. Sie wollte ihm mitteilen, dass er ein verdammter Arsch war und sie ihn nie wiedersehen wollte. Doch statt ihrer gewünschten Taten stand sie nur starr da und hoffte, dass er endlich verschwinden würde. Denn egal welche Bewegung sie als nächstes gemacht hätte, sie hätte ganz sicher angefangen zu weinen. Das war definitiv das letzte was sie im Moment wollte. Dem Feind Schwäche zeigen machte diesen immerhin nur stärker.

Stattdessen kämpfte sie mit sich selbst, atmete tief durch und versuchte den dicken Kloß, der sich in ihrem Hals gebildet hatte herunterzuschlucken.

„Warum fragst du auch nicht, ob er es war, der den Brief geschrieben hatte?“, blieb er grinsend vor ihr stehen, „Du bist echt unterhaltsam.“

Wieder lachte er, während Rin die Zähne zusammenbiss und versuchte sich zu kontrollieren.

„Aber bisschen blöd bist du schon. Da stand hinterm Geräteschuppen und nicht davor“, verschränkte er seine Arme.

Noch mitten in seinem Satz hob die Blauhaarige ihren Kopf und schaute ihn voller Entsetzen an: „D-das warst du?!“ „Ja, war doch lustig. Ich wollte mal sehen wie du reagierst, wenn ich dich ein bisschen verarsche“, grinste er hämisch und zuckte mit den Achseln, „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass es hier irgendwen gibt, der sich in jemanden wie dich verl…“

Bereits mitten in seinem Satz kullerten Rin dicke Tränen die Wangen herunter. Mit größter Mühe versuchte sie diese zu stoppen, doch es half nichts. Stattdessen wurden es immer mehr und ihre Sicht drohte schon zu verschwimmen.

Ihr Gegenüber war so überrascht davon, dass er sogar mitten in seinem Satz aufgehört hatte zu sprechen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass das Mädchen plötzlich zu weinen beginnen würde. Sonst heulte sie auch nie, wenn er sie mal etwas ärgerte.

Sofort registrierte die Mittelschülerin, dass sie die Flucht ergreifen musste. Es war der perfekte Zeitpunkt, denn Akira hielt soeben seinen Mund. Und wer wusste schon wie lange das noch anhalten würde, bis er wieder etwas Gemeines von sich gab. Immerhin hatte sie Schwäche gezeigt, was sie noch angreifbarer machte. Doch ihre Beine wollten sich nicht bewegen. Es verstrich eine gefühlte Ewigkeit ehe ihr Gegenüber plötzlich Luft holte und erneut dazu ansetzte etwas zu sagen.

Panik und Angst breiteten sich in diesem Moment in ihr aus. Sie musste weg, bevor er noch viel gehässigere Dinge zu ihr sagte. Hätte er ja Unrecht mit dem was er sagte, würde sie sicherlich nicht so weinen. Doch die unverblümte Wahrheit tat ihr mehr weh, als sie dachte. Es war offensichtlich, dass es nie jemanden geben würde, der sich ernsthaft in sie verlieben würde. Sie wusste es. Und doch weinte sie.

„Aikawa-chan, i-ich…“, kam der Rothaarige nicht weit, denn endlich löste sich Rins Starre und sie rannte wie von der Tarantel gestochen davon.

Noch ein paar wenige Minuten blickte Akira in die Richtung, in der die Blauhaarige verschwunden war. Es dauerte, bis sein Hirn die Geschehnisse sortiert und bearbeitet hatte. Er konnte nicht verstehen was soeben passiert war. Eigentlich dachte er, dass es lustig werden würde. Genauso wie immer. Warum kam es anders?

Fluchend schritt er auf den nächsten Baum zu und prügelte auf diesen ein: „Fuck!“

Kurz wurde er dabei beobachtet, dann zeigte sich sein bester Kumpel endlich. Er hatte die ganze Szene im Verborgenen mitangesehen.

„Sag einfach nichts“, keifte der Rotschopf ihn an. „Du bist der unfähigste Mensch, den ich kenne“, ignorierte Kuro seine Bitte und sah ihn kritisch an. „Ich hab doch gesagt du sollst die Klappe halten!“, stapfte Akira mit hochrotem Kopf wutentbrannt davon.

 

Ziemlich lange wartete Amika am Schultor auf ihre beste Freundin, bis sie endlich eintraf. Die Brünette hatte sich zwar noch mit einigen ihrer Mitschüler unterhalten und sich verabschiedet, allerdings waren so langsam alle nach Hause gegangen.

Geknickt kam die Blauhaarige dann endlich bei ihr an und redete kein Wort.

„Wo warst du so lange? Ich stehe hier seit einer halben Stunde und sorge mich“, meinte die Brünette, „Hast du geweint?“ „Ich war nochmal auf der Toilette“, wendete Rin ihren Blick ab.

Kurzes Schweigen brach herein, da ihre beste Freundin nicht wusste was sie sagen sollte. Sie verstand absolut nicht was passiert war. Es war offensichtlich, dass die Zuspätkommende geweint hatte. Jedoch verstand sie den Zusammenhang nicht.

„Du schuldest mir ein Eis“, blies die Blauhaarige die Wangen auf und stiefelte mit einer Mischung aus Wut und Traurigkeit voraus.


Ich hoffe euch hats gefallen ;D

Schonmal sorry für die eventuell aufgekommene Verwirrung,

Es wird auf jeden Fall noch ein Gegenwartskapitel geben, das diese Sache hier aufgreift.

Lasst gerne einen Kommentar da *o*/)

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