Kapitel 27 - Gesprengte Feier


 

 

Donnerstag, 07.Mai 2015

 

 

 

Da Rin die vergangene Nacht sowieso kaum ein Auge zugetan hatte, war sie bereits am frühen Morgen auf dem Weg zum Krankenhaus. Kuro sagte zwar sie solle am heutigen Tag ganztägig für ihn arbeiten, nannte jedoch keine Uhrzeit. Sie konnte ihn so früh auch nirgends finden, weswegen sie nur dem Hausmädchen Bescheid gab, dass sie kurzzeitig außer Haus war.

 

Die Oberschülerin wollte nach ihrer Freundin sehen. Ruri war so plötzlich umgekippt, dass sie es kaum wahrhaben wollte. Mit Skye hatte sie deswegen leider noch nicht gesprochen, aber die Blauhaarige ahnte bereits wohin sie der Vorfall führen würde. Allerdings wollte sie dennoch Gewissheit. Es konnte trotz allem sein, dass die Schülersprecherin einfach nur sehr erschöpft gewesen und deswegen aus den Latschen gekippt war.

 

Endlich angekommen versuchte sich Rin in dem großen Gebäude zu orientieren. Um erstmal herauszufinden wo ihre Klassenkameradin zu finden war, sprach sie mit der Empfangsdame. Diese tippe daraufhin etwas in den Computer ein, kniff die Augen zusammen und ging näher heran. Erneutes Tippen folgte. Als sie wieder stoppte legte sie den Kopf schief und schien nachzudenken. Wieder drückte sie einige Tasten, bis sie sich schließlich an die Besucherin wandte: „Miuna-san ist nicht hier.“ „Wurde sie bereits entlassen?“, weiteten sich die Augen der Stipendiatin ungläubig.

 

Da das Mädchen nicht wusste, ob sie nun froh oder besorgt sein sollte, versuchte sie herauszufinden was Sache war. Theoretisch deutete alles darauf hin, dass es der Eisblauhaarigen gut zu gehen schien, wenn sie nicht im Krankenhaus war. Allerdings war dies nicht das einzige Gebäude dieser Stadt, in der sie sein konnte. Es war nur das Wahrscheinlichste.

 

„Nein, sie wurde nicht entlassen. Sie wurde verlegt“, gab die Dame Auskunft. Der kurze Moment der Freude legte sich wieder und voller Erstaunen fragte Rin: „Wohin wurde sie gebracht? Ins Zentralkrankenhaus?“

 

Ein ungläubiger Blick traf die ältere Frau, woraufhin diese weitererklärte: „Nein, nein. Wenn ich das richtig lese, dann wurde sie über Nacht in ihre Heimatstadt verlegt.“ „Und welche Stadt und welches Krankenhaus ist das?“, bohrte die Schülerin ungeduldig, „Geht es ihr so schlecht? Ist sie noch immer nicht aufgewacht?“ Überrumpelt von der Fragenflut sah die Empfangsdame verdutzt drein, ehe sie wieder Worte fand: „Über den Zustand der Patienten besteht eine Schweigepflicht. Es sei denn du gehörst zur Familie. Und persönliche Informationen darf ich erstrecht nicht preisgeben.“

 

Noch eine Weile versuchte Rin die Frau zu überreden. Leider erfolgslos.

 

 

 

Auf dem Rückweg zum Suzuki Anwesen überlegte das Mädchen bereits wie sie an Ruris Daten kommen könnte. Egal wie sie es drehte und wendete, sie musste Kuro fragen. Er hatte garantiert die ganzen Schülerdaten und konnte sie ihr bestimmt aushändigen. Sie musste ihm nur erklären, dass die Situation die gleich wie bei Amika sein könnte und die Schülersprecherin somit an der Todesschwelle stand.

 

Kaum war das Mädchen wieder zurück im Anwesen, wurde sie hektisch überrumpelt und in die Uniform der Dienstmädchen gesteckt. Generell waren heute alle Angestellten des Hauses ziemlich in Aufruhr und mit Arbeit überladen. Auch Momiji rannte eilig umher.

 

Rin war noch nicht einmal vollständig umgezogen, da wurden ihr schon die ersten Aufgaben aufgetragen. Eigentlich war sie die ganze Zeit nur mit nervigen Laufburschenaufgaben beschäftigt. Sie schleppte rund hundert Stühle in den großen Saal und rückte mit den anderen Dienstmädchen Tische zurecht. Dann schleppte sie Blumengestecke und verteilte sie im gesamten Haus. Auch Stehtische holte sie aus dem Schuppen, welcher eher einem kleinen Haus glich, und stellte sie im Garten auf. Diese wurden mit Stoff überzogen und anschließend dezent mit Blumen dekoriert. Der Hausmeister baute währenddessen eine Bar mit allem Drum und Dran im Garten auf.

 

Als Rin erneut den großen Saal betrat, waren die Dienstmädchen mit dem Eindecken der gestellten Tische beschäftigt. Die Blauhaarige staunte nicht schlecht über die vornehmen Tafeln. Allerdings blieb ihr nicht viel Zeit zum Betrachten, denn sie wurde sofort wieder in neue Arbeit gestürzt. Sie sollte allen hundert Stühlen Hussen überziehen und mit einer hübschen Schleife versehen. Damit war das Mädchen einige Stunden beschäftigt. Die Stuhlüberzieher waren recht widerspenstig und die Schleifen wurde nie so, wie sie sein sollten. Mehrfach musste man der Blauhaarige erklären wie das mit den Schleifen funktionierte.

 

Es dauerte keine zehn Stühle, ehe sie die Geduld verlor und lauthals losfluchte. Allerdings brachte das nichts, als ein paar erstaunte Blicke ihrer Kolleginnen. Die Blauhaarige hätte lieber noch fünfhundert weitere Stühle rumgetragen, als diese Fummelarbeit zu erledigen. Aber einfach alles hinschmeißen wollte sie auch nicht. Diese Blöße würde sie sich sicherlich nicht geben. Also schnaubte sie einmal laut und gab ihr Bestes die Arbeit schnell und gut zu erledigen.

 

Während sie den ganzen Tag herumgescheucht wurde, sah sie nicht einmal Kuro. Eigentlich hatte sie es ziemlich eilig ihn wegen Ruri anzusprechen, aber sie konnte ihn auch nicht suchen gehen, da sie nur so mit Arbeit überhäuft wurde.

 

Jedoch konnte sie mit einigen Angestellten reden, welche ihr erklärten was dieses ganze Theater sollte. Wie es aussah fand heute Abend eine große Feierlichkeit statt. So würde es einen großen Empfang im Garten geben, ehe die Gäste im großen Saal speisen würden. Über den Tag baute sogar eine kleine Band ihre Instrumente auf der Bühne im Speisesaal auf und machte einen Soundcheck. Was Rin da zu hören bekam war jedoch so gar nicht ihre Musik. Es erinnerte eher an eine Mischung aus Fahrstuhlmusik und Schlager.

 

 

 

Als endlich alles fertig aufgebaut war, setzten sich alle Angestellten beisammen und aßen noch einen Happen. Zu Rins Erstaunen waren es plötzlich verdammt viele Leute. Einige von ihnen hatte sie noch nie gesehen. Es waren ganze sieben Küchenangestellte und elf weitere in Servicekleidung. Selbst der Hausmeister hatte sich dieses Mal in Schale geworfen. Was wurde hier bloß gefeiert?

 

Die Schülerin hatte gerade ihren letzten Bissen gegessen, als plötzlich Kuro den Raum betrat und alle augenblicklich verstummten. Der Schwarzhaarige hatte sich ebenfalls herausgeputzt und trug einen Anzug mit Krawatte. Selbst seine Haare hatte er ordentlich zurückgegelt. Der Stipendiatin wäre bei diesem Anblick beinahe die Kinnlade heruntergeklappt.

 

„Der Aufbau hat ja schonmal reibungslos geklappt“, begann der Suzuki-Erbe, „Ich bin eben nochmal alles durchgegangen und es ist wie immer hervorragend geworden. Trotzdem möchte ich, dass nochmal jemand die Stuhlschleifen überprüft. Da sind noch ein paar schief.“

 

Zum Glück sprach er direkt weiter, denn Rin wäre deswegen beinahe in die Luft gegangen. Es klang im ersten Moment so, als hätte er sie absichtlich ärgern wollen. Aber das Mädchen wusste nur zu gut, dass die Stühle nicht alle perfekt aussahen. Diese Arbeit lag ihr einfach nicht.

 

„Kommen wir nun zur Einteilung“, blätterte Kuro eine Seite auf seinem mitgebrachten Klemmbrett herum, „Joel kümmert sich um die Begrüßung der Gäste und ist meine rechte Hand. Die Servicekräfte finden sich bitte Paarweise zusammen. Ein Festangestellter schnappt sich bitte immer eine Aushilfe. Kaigo, du machst wie immer die Bar. Deine Aushilfe kommt noch. Während des Wechsels der Bar von draußen nach drinnen, wird dir Joel unter die Arme greifen.“

 

Einheitliche Zustimmung erfüllte den Raum, ehe er weitersprach: „Wir haben zehn Tische im Innenbereich. Bitte teilt euch die Stationen selbst auf. Jedes Paar zwei Tische. Im Außenbereich teilt ihr euch bitte auch selbstständig auf. Jedes Paar geht mit Häppchen und Aperitifs herum. Beim Wechsel geht jeweils einer aus jedem Servicepaar mit herein und kümmert sich schonmal um den Wein- und Getränkeservice an den zugeteilten Stationen. Sprecht euch auch da bitte mit allen ab. Beim Servieren des Essens möchte ich bitte, dass die Geübten das anpacken und die Aushilfen sich um die Getränke kümmern.“ Wieder machte er eine kleine Pause und blätterte in seinen Unterlagen: „Nun zum Ablauf während des Essens. Bevor die Vorspeise serviert wird, werde ich eine recht kurze Begrüßungsrede halten. Ab dann könnt ihr auch schon mit dem Anrichten beginnen, Takeo.“ Der angesprochene Koch nickte und Kuro sprach weiter: „Dann brauche ich eine größere Pause zwischen Hauptgang und Dessert. Ich gebe dem Service Bescheid, sobald es weitergehen kann.“

 

Schließlich nahm er ein paar Blätter aus seinem Klemmbrett heraus und legte sie auf den Tisch: „Hier ist der Zeitplan. Versucht euch wie immer daran zu orientieren. Die Einteilung der Küchencrew erfolgt durch Takeo. Noch irgendwelche Fragen?“

 

Einheitliches Schweigen beantwortete seine Frage. Seine Bediensteten verstanden die klaren Anweisungen problemlos. Einzig Rin schwieg, denn wenn sie ehrlich war, hatte sie überhaupt nichts verstanden von dem was der Schwarzhaarige da von sich gab. Warum machte er es so kompliziert? Die Blauhaarige dachte immer, dass solch ein einfacher Job als Bedienung keiner Struktur folgte und man einfach Bestellungen aufnahm und dann eben hinbrachte. Warum machte der Suzuki-Erbe plötzliche eine Doktorarbeit daraus?

 

Schlussendlich zog Kuro wieder von dannen und die Angestellten berieten untereinander die Details Auch hier standen der Schülerin wieder tausend Fragezeichen über dem Kopf. Wie ihr schien war sie die Einzige, die so absolut keinen Plan vom großen Ganzen hatte. Selbst Momiji konnte mitreden und ihre hilfreiche Meinung zum Gespräch einbringen.

 

 

 

Endlich waren alle eingeteilt und auf Position. Rin bildete mit Shizuka, einem der Hausmädchen, eine Gruppe. Glücklicherweise leitete sie die Ahnungslose und sagte ihr was für den Moment zu tun war. So schickte sie Rin zur Bar, um sich ein Tablett mit dem Aperitif zum Austeilen abzuholen, während die Ältere zur Küche ging, um anschließend mit Häppchen herumzugehen.

 

Als Rin an der Bar ankam, staunte sie nicht schlecht: „Y-Yoshida-kun?! Was machst du denn hier?“ Dieser grinste sie freundlich an: „Ich bin die Aushilfe an der Bar.“

 

Nach kurzem Smalltalk reichte er der Blauhaarigen ein volles Tablett mit Champagner. Zittrig nahm sie es mit beiden Händen entgegen und setzte einen Fuß vor den anderen, um auf die ersten Gäste zuzulaufen. Während ihre Kollegen das Tablett mit einer Hand trugen und mit der anderen selbstsicher die wackeligen Stielgläser reichten, war Rin damit beschäftigt ihre zu balancieren, damit sie nicht umkippten. Statt eines freundlichen Lächelns hatte sie nur einen ziemlich düsteren und konzentrierten Blick, welcher stets auf ihre Gläser gerichtet war. Einige der geladenen Gäste kamen an ihr vorbei und nahmen sich das Getränk selbstständig herunter. Zwar war es gut für das Mädchen, dass sie beide Hände am Tablett behalten konnte, aber dennoch stand sie auch weiterhin vor einer großen Herausforderung. Durch das wahllose Herunternehmen verlagerte sich das Gleichgewicht ständig anders und sie musste sich noch viel mehr auf das Balancieren ihres wackeligen Gutes konzentrieren.

 

Wenig später war sie all ihre Gläser endlich losgeworden und kehrte zur Bar zurück. Dort hatte sich mittlerweile auch ein großer Ansturm von Gästen gebildet, welche nach anderweitigen Getränken fragten. Kaigo und Akira waren ziemlich ausgelastet und bereiteten eilig diverse andere Drinks zu.

 

Als Rin ihr leeres Tablett abstellte, bekam sie daraufhin von dem Älteren nur zugerufen sie solle einfach mit einem der Vollen weitermachen. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn und widerwillig griff sie nach dem Champagner. Wieder drehte sie damit eine langsame Runde voller Konzentration. Da sich der Garten immer weiter füllte, war der Schwierigkeitsgrad nun noch weiter erhöht, denn sie konnte einen Slalomlauf durch die engen Massen machen. Das Schlimme war, dass die Gäste sie teilweise gar nicht bemerkten und Rin einige Male einen unglücklichen Zusammenprall gerade so vermeiden konnte.

 

Nach dem fünften Tablett war sie schon etwas sicherer geworden und ihre krampfhaften Gesichtszüge hatten sich etwas gelockert. Auch ihr Schritt war nun um einiges schneller und wendiger. Das Ausweichen vor den Leuten fiel ihr viel leichter und ihre Hände zitterten nur noch halb so viel. Gerade als sie sich wieder umdrehen wollte, tauchten plötzlich zwei kleine Kinder wie aus dem Nichts auf und rannten ungehalten gegen die Schülerin. Diese rechnete so gar nicht mit dem plötzlichen Zusammenprall und taumelte einen Schritt zurück. Währenddessen versuchte sie ihr Tablett zu balancieren, damit der restliche Champagner nicht herunterfiel. Das war allerdings ein Ding der Unmöglichkeit, denn sie selbst hatte ihre Balance durch den Zusammenstoß schon längst verloren und plumpste schließlich laut schreiend rückwärts in den großen Springbrunnen. Zeitgleich leuchtete ihr Saphir auf und zu allem Übel spritzte auch noch das Wasser fontänenartig zu allen Seiten heraus. Die Gläser, welche mit Schwung durch die Luft flogen, fielen zum Abschluss dann auch noch laut klirrend zu Boden, wodurch ihr die Aufmerksamkeit der Gäste sicher war.

 

Die umstehenden Leute waren durch die Wasserspritzer nass geworden und gaben bereits verärgerte Worte von sich, während das Mädchen wie versteinert im Springbrunnen saß. Sie war von oben bis unten durchnässt und blutete zu allem Überfluss auch noch an den Händen. Überall hatten sich durch die Scherben kleine Schnittwunden aufgetan. Hier und da steckten die Glassplitter sogar in ihrer Handfläche fest, weil sie sich auf dem Boden abstützte.

 

In Windeseile kam schließlich Momiji zur Durchnässten gerannt, entschuldigte sich bei den Gästen und zog die Blauhaarige aus dem Brunnen, ehe sie mir ihr im Anwesen verschwand. Erst im Personalraum kamen sie zum Stehen und die Blau-Grünhaarige atmete durch.

 

„Es tut mir leid“, war Rin aufgebracht, „Ich habe einfach nicht aufgepasst.“ „Es ist nicht deine Schuld“, suchte Momiji eine frische Uniform heraus.

 

Die Stipendiatin hingegen drückte sich ein Taschentuch gegen die blutenden Stellen und versuchte die restlichen kleinen Splitter aus ihren Händen zu bekommen: „Natürlich ist es meine Schuld. Ich kann nie irgendetwas richtig machen. Bei euch allen sieht es so leicht aus und ich kämpfe damit als sei es das schwerste von der Welt.“ „Du machst das doch zum ersten Mal, oder?“, hakte die Jüngere nach, „Als ich zum ersten Mal Gläser tragen musste, fiel es mir auch unheimlich schwer.“ „Aber du hast sicherlich kein Tablett fallen lassen und bist in den Springbrunnen gefallen“, bibberte die Blauhaarige. „Raus aus den nassen Klamotten, sonst erkältest du dich noch“, forderte Momiji, „Und nein, mir ist das nicht passiert. Aber ich wurde auch noch nicht von irgendwelchen Kindern über den Haufen gerannt. Die sind der Endgegner auf solchen Veranstaltungen.“ „Wirklich? Dann hast du wohl einfach besser aufgepasst. Ich gehöre einfach nicht in eure vornehme Welt“, schälte sich die Oberschülerin aus der nassen Uniform. Ihr Gegenüber half ihr und versuchte ihr wieder Mut einzureden: „Bisher war ich noch nicht an so vielen Veranstaltungen mit kleinen Kindern gewesen. Mir hätte heute dasselbe passieren können.“

 

Schweigen legte sich über die Bedrückte und ihre Kollegin redete weiter: „Hör mal. Aufzugeben kenne ich von dir gar nicht. Ehrlichgesagt finde ich das sogar ein wenig bewundernswert was du für ein Durchhaltevermögen an den Tag legst. Außerdem ist es trotzdem nicht deine Schuld, wenn die Eltern ihre Kinder unbeaufsichtigt rumrennen lassen und nicht achtgeben was sie anstellen.“ „Irgendwie hast du ja recht“, trocknete sich die Durchnässte ein wenig ab, ehe sie in die frische Kleidung schlüpfte. „Glaub mir ruhig. Die meisten Unfälle passieren wegen der unachtsamen Eltern. Kinder sind unberechenbar und dann auch noch so klein, dass sie außerhalb des Sichtfeldes sind“, gaben Momijis beruhigende und aufmunternde Worte ihr wieder Halt. „Kuro wird mir dennoch den Kopf abreißen“, schnaubte die Blauhaarige. „Blödsinn“, winkte die Blau-Grünhaarige nur ab, „So schnell wird er nicht böse. Jedem hätte dieses kleine Malheur passieren können.“ „Wenn du das sagst“, war sich die Stipendiatin da nicht so sicher.

 

„Ach so, hör mal“, begann Rin zögerlich, „Ich habe dein Handy kaputtgemacht. Also eigentlich war es vorher schon kaputt. Der Akku hatte einen Wackler und war außerdem immer ganz plötzlich leer. Tut mir leid.“ Ihr Gegenüber blickte daraufhin kurz verwirrt drein, winkte dann aber ab: „Halb so wild. Mir tut es eher leid, dass ich dir so einen Mist gegeben habe. Das Handy ist schon recht alt und lag ziemlich lange ungenutzt herum. Da muss wohl der Akku vom Rumliegen kaputtgegangen sein. Aber dann hast du ja schon wieder kein Telefon.“ „Mach dir darum mal keinen Kopf“, zuckte die Blauhaarige mit den Schultern, „Ich habe jetzt ein Smartphone.“

 

Gerade als Momiji das letzte Pflaster auf die offenen Stellen der blutigen Hand geklebt hatte, ging plötzlich die Kabinentür auf und ein wütender Kuro trat herein.

 

„Ist dir eigentlich klar, was du da angerichtet hast?!“, keifte er wutentbrannt, „Die Gäste sind nicht nur nass und sauer, sondern auch empört über meine Unfähigkeit das Personal zu schulen! Du hast mich vor allen lächerlich gemacht!“

 

Wie erstarrt blickten die beiden Mädchen zum Suzuki-Erben herüber, welcher kurz nach Luft schnappte und dann weiter herumwütete: „Jetzt kann ich mich rechtfertigen und all diese Leute entschädigen! Das sind alles hohe Tiere der Geschäftswelt und du hast sie mit Dreck bespritzt! Der Bürgermeister und seine Frau, die ganzen Vorsitzenden, ja sogar die Mizunos! Scher dich doch zum Teufel! Du bist gefeuert! Pack deine Sachen, ich will dich nie wieder sehen!“

 

„Jetzt reichts aber!“, erhob nun auch Momiji ihre Stimme, „Rin wurde von zwei Kindern über den Haufen gerannt! Das hätte jedem passieren können! Komm mal wieder runter! Seit wann bist du so impulsiv?!“

 

Außer Atem und mit geballten Fäusten stand die Blau-Grünhaarige wütend vor dem Suzuki-Erben. Dieser hingegen war völlig perplex von ihrem Ausbruch und starrte sie nur überrumpelt an. Dass Momiji laut wurde, war für ihn Neuland. Aber auch die Blauhaarige war überrascht, dass ihre Kollegin sich so für sie einsetzte.

 

Da Kuro die Worte zu fehlen schienen, knurrte er nur widerwillig und verließ sogleich den Raum. Grundsätzlich wusste er, dass seine Assistentin recht hatte. Aber die Konsequenzen und der ganze Stress setzten ihm zu.

 

„Ist alles okay?“, befasste sich die Blau-Grünhaarige mit der Schweigsamen. „Habe ich gerade mein Stipendium verloren? Der Job war die Voraussetzung“, war Rin vollkommen aufgelöst. „Ach Blödsinn“, winkte ihr Gegenüber ab, „Suzuki-kun steht im Moment ziemlich unter Stress. Ich denke nicht, dass er es so gemeint hat, wie er es gesagt hat. Ehrlichgesagt dachte ich generell nicht, dass er überhaupt so austickt. Es ist schon häufiger mal ein kleines Unglück passiert, aber statt den Schuldigen zu feuern hat er lieber an der Lösung gearbeitet.“ „Ich bin wohl nicht würdig genug, wenn er zum ersten Mal so ausgetickt ist“, verfiel das Mädchen schon wieder im Selbstmitleid.

 

Innerlich biss sich Momiji in den Hintern für ihre Aussage. Eigentlich wollte sie ihr Mut machen, aber sie hatte das Gegenteil bewirkt. Generell verstand sie nicht warum der Suzuki-Erbe immer so auf ihre Kollegin losging. Es war, als wäre Rin manchmal sein Sündenbock, an der er all seine Launen auslassen könnte. Zusätzlich hatte sie nun selbst ein wenig Bammel, dass er sie nun beide feuern würde. Sie selbst war noch nie ausfallend zu Kuro gewesen. Allerdings fiel es ihr schwer diese Ungerechtigkeit zu dulden.

 

„Du bist mehr als würdig. Lass den Kopf nicht hängen“, klopfte ihr die Jüngere auf die Schulter.

 

Plötzlich ging erneut die Tür auf und Akira trat herein: „Wie geht es euch?“ „G-ganz gut. Warum?“, verstand Momiji den Zusammenhang nicht. „Ich habe euren Streit zufällig mitgehört. Keine Sorge ich habe Kuro auch nochmal den Kopf gewaschen, aber ich befürchte, dass er im Moment andere Sorgen hat“, schnaubte der Rothaarige, „Übrigens verdienst du meinen Respekt, Kobayashi-chan. Wie du ihn zurechtgestutzt hast war einmalig.“

 

Daraufhin musste der junge Mann herzlich lachen und die Blau-Grünhaarige lief knallrot an. Es war ihr peinlich, dass es jemand mitbekommen hatte wie sie den Suzuki-Erben anbrüllte.

 

„I-ich gehe mal wieder zurück an die Arbeit. Kümmere du dich bitte um Rin“, lief sie peinlich berührt davon und ließ die beiden alleine. Bevor die Tür wieder ins Schloss fiel konnte die Blauhaarige noch aus dem Augenwinkel sehen, wie ein kleiner blauer Schmetterling um ihre Kollegin flatterte. Wieder hatte sich ein Social Link erweitert.

 

Noch ehe Akira etwas sagen konnte, meldete sich das Mädchen zu Wort: „Geh ruhig auch wieder an die Arbeit. Ich komme schon klar.“

 

Bedröppelt starrte sie erneut zu Boden und wusste nichts mit sich anzufangen. Sie wusste nicht, ob es klug war auch zurück an die Arbeit zu gehen oder doch lieber davonzulaufen. Die Angst vor dem Spott der Leute lähmte sie. Aber die größte Furcht hatte sie wohl vor einem erneuten Ausbruch des Schwarzhaarigen.

 

„Nein, ich mache jetzt Feierabend“, erklärte der Rothaarige gelassen, „Kaigo kommt an der Bar im Speisesaal alleine klar und Joel hilft im Notfall. Ich bin also überflüssig.“ „Ach so“, kam es bedrückt von der Oberschülerin. „Und du machst auch Feierabend. Kuro hat viel zu viel Personal für den heutigen Abend eingestellt. Ihr steht euch nur gegenseitig im Weg“, erklärte er.

 

Erleichterung machte sich in der Stipendiatin breit, denn sie wollte wirklich nicht zurück an die Arbeit. Allerdings wollte sie auch nicht einfach abhauen. Dann hätte sie ein schlechtes Gewissen ihren Kollegen gegenüber gehabt. Dass Akira sie also zum Feierabend zwang war ihr mehr als recht.

 

„Zieh dich in Ruhe um und dann treffen wir uns hier vorne in der Eingangshalle. Ich habe noch etwas zu klären, bevor wir gehen“, meinte der junge Mann. „Wir?“, verstand Rin nicht ganz was er damit meinte. Daraufhin grinste er: „Ja, lass uns noch irgendetwas machen. Der Abend ist noch jung.“

 

Zwar war das Mädchen etwas irritiert, nickte jedoch zustimmend. Sie konnte etwas Ablenkung gut gebrauchen.

 

 

 


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